Ankara übt Vergeltung für ein angeblich von kurdischen und syrischen Terroristen verübtes Attentat. Das belastet den Besuch der deutschen Innenministerin.

Der Terroranschlag in Istanbul, bei dem vor einer Woche sechs Menschen starben, überschattet den Besuch von Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Ankara. Mit ihrem türkischen Amtskollegen Süleyman Soylu will Faeser unter anderem über Migration reden. Die türkische Seite wird vor allem das Terror-Thema in den Fokus nehmen. „Es ist Zeit für die Abrechnung, die Schurken werden zur Rechenschaft gezogen“ twitterte das türkische Verteidigungsministerium.

 

Türkische Kampfflugzeuge im Einsatz

Damit begann die „Operation Klauenschwert“. Türkische Kampfflugzeuge bombardierten mutmaßliche Verstecke der kurdischen Terrororganisation PKK im Nordirak und Stellungen ihres syrischen Ablegers, der Kurdenmiliz YPG, in Nordsyrien. Bei den Luftangriffen wurden nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 27 Menschen getötet und 38 zum Teil schwer verletzt. Damit übt die Türkei Vergeltung für den Bombenanschlag von Istanbul, der nach offizieller Darstellung auf das Konto der YPG gehen soll. Das Verteidigungsministerium berief sich auf das Recht zur Selbstverteidigung nach der Uno-Charta. Völkerrechtler halten allerdings die Militäroperationen in Nordsyrien, wo die Türkei bereits seit 2016 große Gebiete besetzt hält, für rechtswidrig. Vor diesem Hintergrund bekommt der Türkei-Besuch der Bundesinnenministerin an diesem Montag und Dienstag besondere Bedeutung.

Aus deutscher Sicht steht das Thema Migration ganz oben auf der Tagesordnung. Die Zahl der Asylbewerber, die aus der Türkei über Griechenland und den Balkan nach Deutschland kommen, steigt wieder. Im Flüchtlingsdeal mit der EU hatte sich die Türkei zwar 2016 verpflichtet, die irreguläre Migration in die EU zu unterbinden und Migranten zurückzunehmen. Aber sie setzt diese Zusage nicht um.

Türkei fordert Auslieferung von Oppositionellen

Innenminister Soylu geht es dagegen vor allem um die Terrorbekämpfung. Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte anlässlich des Anschlags von Istanbul die USA und EU-Staaten beschuldigt, sie gewährten „Terroristen“ Unterschlupf. Dazu zählen für ihn nicht nur PKK-Extremisten, sondern auch Oppositionelle wie der regimekritische Journalist Can Dündar, der in Deutschland im Exil lebt. Schon bei seinem Besuch in Berlin im September 2018 ließ Erdogan der damaligen Kanzlerin Angela Merkel eine Liste mit den Namen von 69 Personen übergeben, deren Auslieferung die Türkei von Deutschland fordert, darunter Dündar.

Innenminister Soylu gilt als Hardliner, der sich als möglicher Nachfolger Erdogans profilieren will. Er dürfte gegenüber Faeser das Thema der Auslieferungen unter Hinweis auf den Istanbuler Anschlag mit großem Nachdruck ansprechen. Was die Aufklärung des Attentats angeht, gibt es allerdings Ungereimtheiten. Wer auch immer die Bombe gelegt hat: Der Anschlag spielt Erdogan in die Hände, weil er ihm den Anlass für die Militäroperationen in Syrien und dem Nordirak liefert.