Ein 43-Jähriger aus dem Raum Leonberg soll 2013 eine Frau vergewaltigt haben. Ein DNA-Treffer brachte die Polizei auf seine Spur. Jetzt steht er vor Gericht.

Der Mann mit dem kahlen Schädel und der Brille schaut mit ängstlichen Augen rings umher, als er am Morgen in den Verhandlungssaal des Stuttgarter Landgerichts geführt wird. Er ahnt noch nicht, dass sein Prozess, in dem ihn die Staatsanwaltschaft wegen einer Vergewaltigung im Jahr 2013 angeklagt hat, nach nur einer Stunde und einer langen Pause um die Mittagszeit abgebrochen werden wird und im Oktober noch einmal von vorn beginnen muss.

 

Auf dem Weg zur Arbeit missbraucht

Seit Mai dieses Jahres sitzt er in Stammheim in Untersuchungshaft – ein DNA-Probe, die 2021 bei dem heute 43 Jahre alten Mann vorgenommen worden war, ergab einen Treffer in einem Vergewaltigungsfall aus dem Jahr 2013. Weitere Ermittlungen der Polizei erhärteten den Verdacht gegen den Mann. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, im Juni 2013 morgens um 5 Uhr eine Frau auf dem Weg zu ihrer Arbeit im Leonberger Krankenhaus angesprochen und ihr angeboten haben, sie dorthin zu fahren.

Stattdessen sei er jedoch auf einen Feldweg abgebogen. Da der Angeklagte nur Schritttempo fuhr, gelang es der Frau, zunächst auszusteigen. Laut Anklage folgte der Mann ihr, packte sie und zog sie an den Haaren. Er habe ihr den Rock runtergezogen und sie gegen ihren Willen angefasst. Er habe sie anschließend zum Oralverkehr gezwungen. Anschließend sei die Frau geflohen.

Mit 16 Jahren mit Alkohol und Marihuana angefangen

Im Stuttgarter Landgericht trägt er seinen Lebenslauf vor, der von zahlreichen Schwierigkeiten und Brüchen geprägt ist. Er erzählt von seiner Kindheit in der DDR und seinem trinkenden Vater, dem Neuanfang nach der Übersiedlung in den Raum Leonberg 1990, der mit großen schulischen Problemen verbunden war. Die 8. Klasse musste er wiederholen, mit 16 Jahren kam er mit Alkohol und Marihuana in Kontakt.

Eine unglückliche Liebe veranlasste ihn zu einem Suizidversuch, dem aber keiner in der Familie Beachtung schenkte. Nach dem Realschulabschluss absolvierte er eine Lehre. Als sich seine Eltern scheiden ließen und auszogen, lebte er mit seinem Bruder allein zusammen. Wegen seiner Suchtprobleme wurde er nach der Ausbildung nicht übernommen, stattdessen ging er nach Berlin, da er sich erneut verliebt hatte. Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit verdingte er sich in Berlin als Monteur und Fahrer in einer Firma für Antikholzmöbel.

Als es bergauf ging, holt ihn die Vergangenheit ein

Bei einem Kunden verliebte er sich erneut in eine Frau, zog mit dieser nach Heilbronn und heiratete sie 2007. Eine Arbeitsstelle fand er in einem Krematorium, wo er mehrere Jahre blieb. Doch die Arbeit belastete ihn psychisch massiv, sein Alkoholkonsum stieg entsprechend. „Ich habe mal ausgerechnet, dass ich bis 2016 rund 100 000 Tote versorgt habe“, erzählte er dem Gericht.

Die Scheidung von seiner Frau und die finanziellen Belastungen für den Unterhalt der Kinder belasteten ihn zusätzlich – im Jahr 2016 ließ er sich schließlich auf eigenen Wunsch wegen Depressionen und Suizidgefahr erstmals ins Zentrum für Psychiatrie in Calw-Hirsau einweisen. Zwei weitere Aufenthalte sollten folgen, doch immerhin ging es beruflich einigermaßen aufwärts – wozu auch eine Privatinsolvenz beitrug. Seit einem Jahr arbeitete der 43-Jährige bei einem Fenster- und Rollladenbauer und wollte sich Schritt für Schritt selbstständig machen – doch dann holte ihn seine Vergangenheit ein.

Prozess muss noch mal von vorn beginnen

Nach rund 90-minütiger Unterbrechung verkündete der Vorsitzende Richter Volker Peterke dann einen Verständigungsvorschlag: Sollte der 43-Jährige ein Geständnis ablegen und zudem über einen Täter-Opfer-Ausgleich der Frau 7500 Euro Schmerzensgeld zukommen lassen, würde das Gericht eine Strafe zwischen zwei Jahren und neun Monaten und drei Jahren und drei Monaten in Aussicht stellen.

Allerdings muss der Prozess von 11. Oktober an noch einmal von vorn beginnen, da wegen des Alkoholkonsums des Mannes die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Raum steht. Dazu muss er zunächst von einem Sachverständigen untersucht werden. Der Angeklagte räumte ein, die Nacht vor der Tat fast durchgetrunken und circa 20 Bier konsumiert zu haben, bis er der Frau auf dem Heimweg begegnet sei.