Seit Januar diesen Jahres gelten neue Abgabesätze. Was die Branche empört, loben auf der anderen Seite die Suchtbekämpfer.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)
Stuttgart - Wie viel Vergnügen die neuen Vergnügungssteuersätze den Mitarbeitern der Stadtkämmerei in Stuttgart noch machen werden, wird sich zeigen. Eines ist dem zuständigen Abteilungsleiter Rolf Kiener aber schon jetzt klar: "Der Aufwand wird riesig." Sein Team hat seit Monatsbeginn zwei Mitarbeiter dazu bekommen und der Chef ist deshalb selbst umgezogen, um Platz zu schaffen. "Im Februar geht die Arbeit dann richtig los", sagt Kiener. Der Fachmann aus der Stadtkämmerei macht keinen Hehl daraus, dass ihm eine einfache Erhöhung der Vergnügungssteuer lieber gewesen wäre. Doch der Gemeinderat hat zum 1. Januar bei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit auch die Art der Besteuerung geändert. Hintergrund war eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen September.

Bisher wurde in der Landeshauptstadt monatlich nach Spielgerät abgerechnet. Für ein Gewinnspielgerät in einer Gaststätte zahlte der Aufsteller 82, in einer Spielhalle 199 Euro pro Monat. Seit dem Jahreswechsel müssen die Aufsteller nun in Stuttgart jeden Monat 18 Prozent des Nettoumsatzes ihrer Geräte an die Stadt überweisen - ein Mindestbetrag muss dabei in jedem Fall gezahlt werden (59 Euro für ein Gewinnspielgerät in Gaststätten, 142 Euro für eines in Spielhallen). "Das heißt, die Steuer ändert sich von Monat zu Monat", erklärt Kiener den erhöhten Arbeitsaufwand seiner Abteilung angesichts von 2100 in Stuttgart registrierten Gewinnspielautomaten. Die Erhöhung bringt der Stadt etwa zwei Millionen Euro mehr in die Kasse, insgesamt sollen durch die Vergnügungssteuer fünf Millionen jährlich zusammenkommen. Denn auch Stripteaselokale und Pornokinos werden bei der Steuer stärker zur Kasse gebeten. Die staatlichen Spielbanken hingegen unterliegen nicht der Vergnügungssteuer, sie zahlen eine Abgabe ans Land.

Die Laune der Aufsteller ist im Keller


Bei den Automatenaufstellern ist die Laune nun im Keller. "Das geht richtig an die Substanz", sagt beispielsweise Elfriede Lauser, die Geschäftsführerin der Gustav Lauser GmbH, des größten Unternehmens der Branche in Stuttgart (128 Mitarbeiter) mit 240 Automaten allein in der Landeshauptstadt. 18 Prozent könne kein Betrieb einfach so abzweigen. Schließlich müssen die Mehrwertsteuer und der Anteil der Gastronomen auch noch gezahlt werden. Diese erhalten nach Abzug der Steuern bis zu 50 Prozent des Umsatzes. "Es trifft also auch die Gastronomen", sagt Elisabeth Lauser, da nun weniger zu verteilen sei.

Für den Automaten-Verband Baden-Württemberg steht fest: die Stadt hat bei der Vergnügungssteuer das Augenmaß verloren. Sie verhalte sich mittelstandsfeindlich, so der Vorsitzende Michael Mühleck. Offenbar wolle man eine Branche "totsparen", indem ein besonders hoher Steuersatz beschlossen wurde. Bundesweit liege der Satz im Schnitt bei zehn Prozent, Bayern erhebe gar keine Vergnügungssteuer.

Die Stadtkämmerei verweist dagegen auf andere Beispiele in der Region. Ludwigsburg erhebt ebenfalls 18 Prozent, allerdings von der Brutto-, nicht von der Nettokasse. Das heißt, in Ludwigsburg wird der gesamte Umsatz im Automaten mit 18 Prozent besteuert, in Stuttgart dagegen wird zuerst die Mehrwertsteuer von 19 Prozent abgezogen und der Rest besteuert. "18 Prozent von der Bruttokasse macht umgerechnet rund 21 Prozent netto", erklärt Kiener. In Ditzingen gar liegt der Steuersatz bei 20 Prozent der Bruttokasse. In Esslingen wird noch nach der Automatenanzahl besteuert - allerdings sei eine Änderung der Satzung angedacht, heißt es aus der Verwaltung.

Angesichts des Booms der Branche in Stuttgart in den vergangenen Jahren (siehe Kasten) erhofft man sich bei der Stadt auch, diesem Einhalt zu gebieten. "Die Steuer kann da ein Steuerungselement sein", sagt Stefan Braun, der Leiter der Gaststättenbehörde. Auch Günther Zeltner von der Suchtberatung der Evangelischen Gesellschaft lobt die an den Umsatz gekoppelten Vergnügungssteuersätze aus "suchtpräventiver Sicht". Im Moment sei die Suchtberatung "total ausgelastet".

Zwei Unternehmen beherrschen die Szene


Die Automatenaufsteller zeichnen ein anderes Szenario: Zum einen werde nun die Konzentration in der Branche weiter befeuert zulasten der hiesigen Betriebe. Tatsächlich gibt es zwei Großunternehmen, die die Szene bundesweit beherrschen: die Gauselmann-Gruppe (Markenzeichen ist die Merkur-Sonne) und die NSM-Löwen Entertainment GmbH, die inzwischen zum österreichischen Novomatic-Konzern gehört. Beiden werden beste Lobbyverbindungen in Berlin nachgesagt.

Zum anderen werde die Anzahl illegaler Geräte massiv steigen, warnt der Verband. Schon jetzt gebe es Tausende illegal aufgestellter Automaten in Stuttgart. "Die Ehrlichen werden nun für den Steuerausfall bestraft, den man bei den Unehrlichen hat", klagt der Anwalt des Verbands, Dieter Schittenhelm. Bei der Stadt sieht man das Problem mit den illegalen Automaten. "Man muss kontrollieren, das ist klar", sagt Rolf Kiener von der Stadtkämmerei - und beim Ordnungsamt ist man "über jeden Hinweis seitens des Verbands über den Standort von illegalen Automaten dankbar".