Möglichst weit weg von allem, was Flüchtlinge auf dumme Gedanken bringen könnte: Die Oberbürgermeister Palmer (Tübingen) und Arnold (Schwäbisch Gmünd) versuchen, das Konzept der „sicheren Landeseinrichtungen“ rechtspolitisch zu unterfüttern.

Stuttgart - Tübingens OB Boris Palmer (Grüne) hat zusammen mit seinem Kollegen Richard Arnold (CDU) aus Schwäbisch Gmünd ein Konzept für „sichere Landeseinrichtungen“ ausgearbeitet. In diesen Unterkünften sollen verhaltensauffällige Flüchtlinge untergebracht werden. Das Konzept, das unserer Zeitung vorliegt, zielt auf jene „Tunichtgute“ (Ministerpräsident Winfried Kretschmann), deren Verhaltensspektrum von der Randale bis zum Begehen von Straftaten reicht.

 

Palmer und Arnold hatten sich vor einigen Wochen mit Regierungschef Kretschmann und Innenminister Thomas Strobl (CDU) getroffen, um Vorschläge zu unterbreiten, wie mit diesen Flüchtlingen umzugehen sei. Denn nach dem „legitimen Rechtsempfinden der meisten Menschen“, schreiben die beiden Kommunalpolitiker nun in ihrem Konzept, sei es angesichts der Vielzahl der Opfer nicht mehr hinnehmbar, dass sich straffällige Flüchtlinge „völlig frei auf den Straßen, Plätzen und in den Vergnügungsstätten der Städte und Gemeinden bewegen können“.

Strom: Wegsperren vor einer Verurteilung nicht möglich

Dabei ist es nicht so einfach, die Bewegungsfreiheit von jenen Menschen einzuschränken, die sich im Kretschmann’schen Sinne wie ein „Tunichtgut“ aufführen, aber dennoch unterhalb der strafrechtlichen Schwelle bleiben. Innenminister Thomas Strobl sagte dazu in der Regierungspressekonferenz am Dienstag: „Das Wegsperren vor der Verurteilung ist in unserem Rechtsstaat nicht möglich.“

Auf solche Bedenken gehen Palmer und Arnold jetzt ein. Sie unterscheiden zwischen verschiedenen Gruppen: Für Flüchtlinge, die noch im Asylverfahren stecken oder abgelehnt wurden, sei eine Unterbringung in einer „sicheren Landeseinrichtung“ problemlos möglich. Paragraf 55 des Asylgesetzes besage, dass die Aufenthaltsgestattung in Deutschland für die Dauer des Asylverfahrens kein Recht begründe, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten. „Aufenthaltsverbote und Aufenthaltsgebote sind also grundsätzlich zulässig“, befinden Palmer und Arnold. Paragraf 61 regle, dass für sie eine Wohnsitzauflage gelte, solange sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können. Für strafrechtlich verurteilte Geflüchtete könne sowieso eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts angeordnet werden.

Schwieriger, das räumen Palmer und Arnold ein, verhält es sich mit bereits anerkannten Flüchtlingen. Die allgemeine Wohnsitzauflage ziehe nur, wenn der jeweilige Geflüchtete auf öffentliche Leistungen für den Lebensunterhalt angewiesen sei. Einen Hebel sehen Palmer und Arnold in der Anschlussunterbringung in den Gemeinden, die in örtlichen Satzungen geregelt werde. Wenn ein Geflüchteter nicht in der Lage sei, selbst eine Wohnung zu mieten, bestimme die Gemeinde seine Unterbringung – zum Beispiel in einer „sicheren Landeseinrichtung“.

Security rund um die Uhr

Bei einem pragmatischen Vorgehen könne daher auf dem Gebiet einer Gemeinde eine Flüchtlingsunterkunft errichtet werden, die besonderen Sicherheitsanforderungen gerecht werde: Security rund um die Uhr, Zutrittskontrollen, gegebenenfalls nächtliche Ausgangssperren, die über die Hausordnung geregelt werden.

Palmer und Arnold ist klar, dass sich die Begeisterung vor Ort, in der eigenen Gemeinde eine solche Einrichtung zu schaffen, in Grenzen halte werde. Schon für eine Einrichtung mit 50 Plätzen sei mit mindestens einer Million Euro Kosten im Jahr allein für den Sicherheitsdienst zu rechnen. Ihr Vorschlag: Städte und Gemeinden stellen geeignete Unterkünfte zur Verfügung. Je größer die Entfernung zu belebten Plätzen, Innenstädten, Vergnügungsstätten oder Bahnhöfen, umso besser. Das Land sorgt im Gegenzug für Sicherheit: Mit Security-Personal und einer Polizei, die durch verstärkte Präsenz einen „Sicherheitskordon“ um die jeweilige Einrichtung legt. Leistungen sollen die Geflüchteten ausschließlich am zugewiesenen Aufenthaltsort bekommen, Geld nur im Minimum. 50 Personen bildeten die Untergrenze für eine solche Einrichtung, 200 bis 300 Personen die Obergrenze, um die Ordnung noch wahren zu können. Es handle sich nicht um eine Form der Haft, beteuern Palmer und Arnold. „Die Geflüchteten können die Einrichtung zumindest tagsüber jederzeit und beliebig lang verlassen.“

Deutlich wird: Es handelt sich um den repressiven Teil des von Palmer und Arnold propagierten „doppelten Spurwechsels“. Hingegen soll, wer die Gesetze achtet und seinen Lebensunterhalt dauerhaft selbst bestreitet, spätestens nach fünf Jahren in Deutschland eine Niederlassungserlaubnis erhalten – auch wenn er nicht als Geflüchteter anerkannt wurde. Diese soll also nur Geflüchteten zugute kommen, die bereits im Land sind.