Oldtimerhändler aus Ditzingen Mercedes nimmt bei Kienle einen neuen Anlauf

Der insolvente Ditzinger Betrieb Kienle war auf Mercedes-Oldtimer spezialisiert. Foto: Andreas Rosar/Fotoagentur-Stuttg

Mercedes will mit Dienstleistungen rund um historische Fahrzeuge wachsen. Eine Übernahme des insolventen Ditzinger Oldtimerhändlers Kienle hatte sich zerschlagen. Doch es gibt neue Pläne.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Matthias Schmidt (mas)

Mercedes-Benz beschäftigt sich erneut mit dem Oldtimerhändler Kienle. Der Automobilhersteller will im Geschäft mit klassischen Fahrzeugen weiter wachsen und nimmt bei dem insolventen Ditzinger Unternehmen einen neuen Anlauf.

 

Mercedes will offenbar Teile des Oldtimerbetriebs übernehmen. Im Rahmen eines so genannten Asset Deals könnten möglicherweise die Mitarbeiter des Restaurierungsexperten unter das Dach des Mercedes-Benz Classic Centers schlüpfen sowie historische Ersatzteile und Werkzeuge aufgekauft werden. Ein Sprecher des Insolvenzverwalters Philipp Grub bestätigte, dass Mercedes einer der Interessenten sei, mit denen derzeit Verhandlungen geführt werden. Ein Abschluss aber sei noch nicht zu vermelden.

Die Mercedes-Benz Heritage GmbH, in der die Oldtimeraktivitäten des Stuttgarter Autoherstellers und auch das Museum gebündelt sind, hatte sich schon vor gut einem Jahr mit der Übernahme der Kienle Automobiltechnik GmbH befasst. Die Pläne wurden jedoch verworfen – wobei unklar blieb, welche Rolle dabei die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Firmenchef Klaus Kienle wegen Betrugsverdacht spielten.

Die Insolvenz hat die Ausgangslage verändert

Nach den öffentlich bekannt gewordenen Durchsuchungen von Firmen- und Privaträumen am 31. Mai 2023 erschien eine Zusammenarbeit jedenfalls schon aus Imagegründen für Mercedes nicht länger denkbar – ungeachtet dessen, dass Kienle alle Vorwürfe bestreitet. Die am 31. Oktober angemeldete Insolvenz aber hat die Lage verändert. Klaus Kienle wurde vom Insolvenzgericht die Verfügungsgewalt über den Betrieb entzogen, er hat seither Hausverbot. Seit Anfang des Jahres läuft das ordentliche Insolvenzverfahren.

Mercedes-Benz hält sich in der Sache momentan bedeckt. Man äußere sich nicht zu laufenden Insolvenzverfahren, teilt das Unternehmen mit. Kein Geheimnis ist jedoch die strategische Absicht des Stuttgarter Konzerns, das Portfolio von Dienstleistungen rund um Mercedes-Oldtimer erweitern zu wollen. Dazu gehört auch das Geschäft mit Wartungen und Restaurierungen, das im Classic Center in Fellbach angesiedelt ist.

Das Know-how der Mitarbeiter ist gefragt

„Die Mercedes-Benz Heritage GmbH prüft weiterhin im Rahmen der Geschäftsfeldstrategie verschiedene Möglichkeiten zum organischen und anorganischen Wachstum“, so das Unternehmen. Das Know-how der knapp 60, teils hoch qualifizierten Mitarbeiter Kienles wäre dabei von großem Wert. Wie zu hören ist, sind daran auch andere, auf Mercedes-Oldtimer spezialisierte Betriebe interessiert. Die Kienle-Beschäftigten können nun Hoffnung schöpfen, weiterhin in der Region Stuttgart und zu vergleichbaren Konditionen weiterbeschäftigt zu werden.

Ein Asset Deal, also etwa der Kauf von einzelnen Gegenständen, Kundenlisten oder Ersatzteilen, ist immer eine Frage von individuellen Verhandlungen. Der Insolvenzverwalter muss darauf achten, im Sinne der Gläubiger einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Für eine vollständige Übernahme (Share Deal) samt Fortführung des Betriebs scheint es im Fall Kienle keine Interessenten zu geben. Bei allen Gesprächen gehe es um Asset Deals, lässt der Insolvenzverwalter wissen.

Für potenzielle Käufer haben Asset Deals den Vorteil, dass sie nicht die Verbindlichkeiten übernehmen müssen, da diese in der alten Gesellschaft verbleiben. Im konkreten Fall bedeutet dies wohl, dass die Käufer auch nicht für eventuelle Bußgelder in Anspruch genommen werden könnten, falls solche einmal im Zuge der Ermittlungen gegen das Unternehmen verhängt werden sollten.

Die Ermittlungen gegen Kienle dauern derzeit noch an. Im Zentrum des Betrugsverdachts stehen zwei Oldtimer vom Typ 300 SL Roadster, die beide die gleiche Fahrgestellnummer tragen. Eines der Fahrzeuge hat Kienle 2019 verkauft, dabei besteht der Verdacht, dass er es wider besseren Wissens als Original deklariert hat. Im Zuge der Ermittlungen kamen weitere Verdachtsfälle hinzu. Das Landeskriminalamt hat mehrere Oldtimer beschlagnahmt. Kienle weist jeden Betrugsverdacht von sich. Wann die Ermittlungen abgeschlossen werden, ist momentan noch offen.

Der Firmengründer sieht in den Ermittlungen den Grund für die wirtschaftliche Schieflage seines Betriebs: Zahlreiche Kunden hätten nach der Razzia Aufträge storniert. Mit Liquiditätsschwierigkeiten hatte Kienle jedoch ausweislich der Geschäftsberichte auch schon in den Vorjahren zu kämpfen.

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