Seit zwei Jahren liegt die Anklage zur Insolvenz von Windreich beim Landgericht, ohne dass darüber entschieden ist. Nun droht ein Teil zu verjähren. Die zuständige Kammer soll jetzt entlastet werden.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Kurz nach der Freilassung zweier dringend Tatverdächtiger kämpft das Landgericht Stuttgart erneut mit einem Engpass wegen überlanger Verfahren. Im Fall der Insolvenz des Unternehmens Windreich droht ein Teil der Vorwürfe zu verjähren, weil seit Erhebung der Anklage bereits knapp zwei Jahre vergangen sind. Um das zu verhindern und das bisher nicht eröffnete Windreich-Verfahren voranzubringen, wird die zuständige Wirtschaftsstrafkammer von Haftsachen entlastet. Der nächste eigentlich auf sie entfallende eilbedürftige Fall, in dem sich Angeschuldigte in Untersuchungshaft befinden, wird nun einer anderen Kammer zugeteilt. Dies hat das Präsidium des Landgerichts nach Informationen unserer Zeitung Ende voriger Woche beschlossen.

 

Ein Sprecher des Gerichts bestätigte den Beschluss auf Anfrage. Nach seinen Angaben könnte „ein untergeordneter Anklagepunkt“ gegen einen der acht Angeschuldigten im Sommer 2019 verjähren; bei den zentralen Vorwürfen der Anklage drohe hingegen „aktuell keine Verjährung“. Man habe die Strafkammer entlastet, um ihr eine „zügige Vorbereitung“ des Windreich-Verfahrens zu ermöglichen. Wann mit einer Entscheidung über Anklage und Eröffnung zu rechnen ist, sagte er nicht.

Entscheidung über Professoren naht

Die lange Dauer begründete der Sprecher mit dem Umfang des Falls. Allein die Anklageschrift umfasse 521 Seiten, dazu kämen 234 Aktenordner. Der Windkraft-Pionier aus Wolfschlugen im Kreis Esslingen hatte 2013 Insolvenz angemeldet. Die Ende 2016 bei Gericht eingegangene Anklage wirft dem Windreich-Gründer Willi Balz Insolvenzdelikte, Untreue und Betrug vor. Er weist die Vorwürfe zurück. Bei den sieben anderen Angeschuldigten, darunter der frühere FDP-Minister Walter Döring, geht es überwiegend um Insolvenzdelikte; auch sie weisen die Anklage zurück.

Ein anderes, ebenfalls seit fast zwei Jahren beim Landgericht anhängiges Verfahren steht dagegen vor dem Durchbruch: Die Entscheidung über die Anklage gegen 15 Professoren der Beamtenhochschule Ludwigsburg wegen rechtswidriger Zulagen stehe „unmittelbar bevor“, sagte der Gerichtssprecher. Es geht um den Vorwurf der schweren Untreue und der Beihilfe dazu. Im Untersuchungsausschuss des Landtags dazu wurde mit zunehmender Verwunderung registriert, dass noch immer kein Prozess in Sicht sei. Wie bei Windreich handele es sich nicht um einen Haftfall, der vorrangige bearbeitet werde, sagte der Sprecher. Mit 65 Aktenordnern sei das Verfahren ebenfalls hochkomplex und anspruchsvoll.

Freie Verdächtige werden Thema im Landtag

Der Fall der wegen versuchten Totschlags Angeschuldigten, die wegen überlanger U-Haft auf freien Fuß gesetzt worden waren, beschäftigt derweil auch den Landtag. Die FDP fasst mit einer Anfrage nach, die SPD zeigte sich besorgt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte betont, die Justiz habe genug Personal; wie es eingesetzt werde, sei Sache der Gerichte.

– FDP fragt nach