Nach Jahren der Misswirtschaft und der Insolvenz scheint es bei der Traditionsmarke für Unterwäsche nun aufwärtszugehen.

Radolfzell - Klar war der Deal erst am Tag der Arbeit. Um 19 Uhr setzten die Manager Itzahk Weinstock und Noam Lautman für Delta Galil und der Schiesser-Aufsichtsratschef Volker Grub für die Alteigentümer im Züricher Hotel Radisson Blue ihre Unterschrift unter die Verträge. Damit war die Schiesser AG endgültig verkauft. Die Zustimmung der Kartellbehörden vorausgesetzt, geht die Traditionsmarke, die angeblich 95 Prozent aller Deutschen kennen, in neue Hände über.

 

Die im Jahr 1875 von dem 27-jährigen Schweizer Fabrikanten Jacques Schiesser in Radolfzell gegründete Manufaktur war in ihrer langen Geschichte schon einmal übernommen worden. Im Jahr 1919 hatte Jakob Heusser-Staub, ein Schweizer Konkurrent, die Firma seines Landsmannes aus dem Kanton Glarus gekauft. Die sich daraus entwickelnde Hesta-Gruppe hatte die Unterwäschenmarke erfolgreich durch Weltkrieg und Nachkriegszeit geführt. Spätestens aber in den 90er Jahren galt Schiesser Feinripp nicht nur bei Jugendlichen als Synonym für altmodisch.

Da war die Firma schon in der Krise. Auf seinem Höhepunkt 1989 hatte der Wäschekonzern weltweit noch 260 Millionen Euro Umsatz erzielt und 3600 Mitarbeiter beschäftigt. Doch dann mussten Werke geschlossen werden. Die Produktion wurde in Länder wie Tschechien, Slowakei oder Griechenland verlagert, wo die Lohnkosten weit geringer waren. Am Stammsitz kostete das 1000 Arbeitsplätze. Seither befindet sich in Radolfzell noch die Verwaltungszentrale mit Entwicklung und Vertrieb.

Desaster bei der Produktion für Nobelmarken

Selbst die Produktion für fremde Markenartikler wie Mexx, Levis, Puma, Tommy Hilfiger und Ralph Lauren wurde aufgrund ungünstiger Verträge zum Desaster. Als sich die Verbindlichkeiten auf 65 Millionen Euro summierten, verloren die Hesta-Manager die Geduld. Im Februar 2009 musste die Schiesser AG Insolvenz anmelden.

Anders als von den Gläubigern gefordert, wollte der Insolvenzverwalter Volker Grub das Unternehmen nicht zerschlagen oder schnell verkaufen. Grub glaube an die Marke Schiesser und ihre Wiederauferstehung. Er ließ das Management um Vorstandschef Rudolf Bündgen weiter an einer Neuausrichtung arbeiten und tat alles, um für Aufmerksamkeit für Schiesser zu sorgen, was ihm blendend gelang. Zunächst versuchte er das Unternehmen Investoren schmackhaft zu machen. Schon bald wurde bekannt, der Modeschöpfer Wolfgang Joop habe zusammen mit einer Investorengruppe Interesse, bei Schiesser einzusteigen. Doch aus den hochfliegenden Plänen ist letztlich nichts geworden.

Schiesser kopierte, was andernorts schon erfolgreich war

Auch die Zahlen wurden rasch besser. Schon 2010 war das Unternehmen wieder profitabel, Schiesser kam aus der Insolvenz. Grub vollzog eine ungewöhnlichen Rollenwechsel und rückte ins Kontrollgremium ein. Zudem kopierte er zusammen mit dem Management das, was andernorts längst gut funktionierte. Eine neue, frische Kollektion, dazu eigene Läden und endlich auch ein Onlineshop. Als das Investorenmodell für gescheitert erklärt wurde, propagierte Grub einen neuen Plan. Schiesser sollte an die Börse. Dort sollte frisches Kapital generiert werden, um weiterzumachen und die Gläubiger zu befriedigen. Im Hintergrund aber pflegte er den Kontakt mit Investoren. Davon aber erzählte Grub keinem. Als die Börsenpläne nun zu scheitern drohten, verkaufte er Schiesser an den Konkurrenten, den israelisch-amerikanischen Wäschekonzern Delta Galil . Die Israelis hatten lange Zeit Zweifel, ob Grubs Konzept aufgehen würde. Am Ende zahlten sie für Schiesser 68 Millionen Euro. Einen Preis, den sie anfangs nie hätten aufrufen wollen.