Architekturhistoriker wollen, dass die für knapp acht Millionen Euro verkaufte Schmitthenner-Villa am Kriegsbergturm unter Schutz gestellt wird und damit einen Abriss verhindern.

Stadtleben/Stadtkultur: Jan Sellner (jse)

Stuttgart - Das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart lehnt es ab, die Schmitthenner-Villa in der Eduard-Peiffer-Straße 89 auf ihre Schutzwürdigkeit hin erneut zu überprüfen. Zur Begründung teilte die Behörde auf Anfrage mit, das Gebäude sei ein „interessantes, aber nicht unbedingt repräsentatives Beispiel für das Schaffen des Architekten“. Die ursprünglich 1936 für den Industriellen Otto Werner erbaute Villa „ist auch nicht in besonders anschaulichem Maße geeignet, das Werk Schmitthenners und dessen einzelnen Schaffensphasen beispielhaft zu dokumentieren“, erklärte die Behörde weiter. Das Thema Umbau/Weiterbau sei an dem Objekt nur schwierig nachvollziehbar. „Somit sehen wir die Erhaltung im öffentlichen Interesse, die der Gesetzgeber mit dem Denkmalschutzgesetz einfordert, als nicht begründbar.“

 

Denkmalbehörde verweist auf andere geschützte Gebäude

Mehrere Fachleute, wie der Stuttgarter Architektur-Professor Stephan Trüby und der frühere stellvertretende Leiter des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, Wolfgang Voigt, betonen dagegen die Schutzwürdigkeit des jüngst für knapp acht Millionen Euro verkauften Gebäudes. Sie sei gerade in der wechselvollen Baugeschichte begründet, die die Handschrift Schmitthenners in verschiedenen Zeitabschnitten zeige. Mit Paul Bonatz zählt er zu den führenden Vertretern der traditionalistischen „Stuttgarter Schule“.

Das Gebäude, das auf einem rund 4000 Quadratmeter großen Grundstück liegt, war im Krieg schwer beschädigt worden. 1950 wurde es instandgesetzt und 1962 von Schmitthenner umgestaltet – 26 Jahre nachdem er den Ursprungsbau entworfen hatte. Trüby und Voigt befürchten, der neue, namentlich nicht bekannte Eigentümer, könnte die Villa abreißen lassen, um auf dem Gelände größer zu bauen.

Die Denkmalbehörde will ihr Entscheidung ausdrücklich nicht als Votum gegen Schmitthenner (1884-1972) verstanden wissen, der als Person wegen seiner Nazi-Vergangenheit umstritten ist. „Die Anerkennung von Schmitthenners Bedeutung als Architekt spiegelt sich darin wider, dass über 40 Bauten aus allen seinen Schaffensphasen bereits in den Denkmallisten des Landes Baden-Württemberg verzeichnet sind“, betont die Behörde. Den dokumentarischen Wert für den Villen-/Wohnhausbau sowie für die Architekturgeschichte der jeweiligen Epoche sehe man „bei den eindeutig einer bestimmten Phase zuzuordnenden Werken jedoch besser gewährleistet“. Mit anderen Worten: den Denkmalschützern fehlt hier die klare Linie.

Die Villa zählte zu Schmitthenners „Arche“

Marc Hirschfell, Architekturhistoriker aus Stuttgart, hat für diese Argumentation kein Verständnis. Das Phänomen unterschiedlicher Schaffensphasen zeige sich auch beim Alten Schloss. Schmitthenner hat bei dem zweimaligen Wiederaufbau des Alten Schlosses nach dem verheerenden Brand von 1931 und nach der erneuten Zerstörung im Krieg auf unterschiedliche Weise seine Handschrift hinterlassen. Darin bestehe ein besonderer Reiz.

Hirschfell ist zudem kein anderes Schmitthenner-Haus bekannt, bei dem die Wohnflächen über einen externen Turm erschlossen werden. Für seine Bedeutung spreche außerdem, dass Schmitthenners eigenes, im Krieg zerstörtes Haus, zusammen mit dem ebenfalls von ihm entworfenen und 2019 abgerissenen sogenannten Haus Köster in der Eduard-Pfeiffer-Straße 79 und dem Haus Werner „ein Ensemble bildete, das alle Architekturstudenten der TU Stuttgart einmal anschauten“. Dass sich die Denkmalbehörde nicht mal die Mühe mache, das Haus in Augenschein zu nehmen, hält der Architekturhistoriker für „skandalös“.