Tausende Knöllchen, unzählige Falschparker und lautstarker Streit zwischen Radfahrern und Fußgängern: In der Tübinger Straße an der Gerber-Baustelle kann von einem geordneten Straßenverkehr keine Rede mehr sein.

Stuttgart - Zwischen der Paulinenstraße und der Querspange kann von einem geordneten Verkehrsablauf keine Rede mehr sein. Im seit Anfang Mai bestehenden Engpass an der Gerber-Baustelle fühlen sich Fußgänger von Radfahrern, die dort trotz Verbot durchfahren, massiv behindert. Und die Mischverkehrsfläche um die Christophstraße wird nach wie vor weiterhin täglich von Falschparkern zugestellt: In dem 200 Meter langen Straßenraum haben die städtischen Kontrolleure bis Mitte Juli bereits 4806 Fahrer verwarnt. „Wenn das so weitergeht, kommen wir bis Ende des Jahres auf gut 9000 Strafzettel“, sagt Joachim Elser, der Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung. Dabei seien die im vergangenen Jahr ausgestellten 6000 Strafzettel bereits rekordverdächtig gewesen.

 

Trotz des Durchfahrverbots bei der Gerber-Baustelle hat es zwischen der Sophien- und der Paulinenstraße noch kein Knöllchen für Radfahrer geben. „Dabei ist es ein Wunder, dass es hier noch nicht zu schweren Unfällen gekommen ist“, sagt Hans Rübesamen, Inhaber einer Reinigung an der Ecke Sophien-/Paulinenstraße. „Vor allem morgens und abends ignorieren viele Radler das Durchfahrverbot. Ich muss meine Kunden darauf hinweisen, beim Verlassen des Ladens besonders vorsichtig zu sein.“

Die Polizei, deren Aufgabe es ist, den fließenden Verkehr zu überwachen, hat Rübesamen dort bis jetzt nur einmal gesehen. Im Mai hätten Beamte einige Radler ermahnt, sich an das Verbot zu halten und die kurze Umleitung über Sophien-, Gerber- und Paulinenstraße zu benutzen.

Lautstarker Streit zwischen Fußgängern und Radlern

„Es ist wirklich ein Wunder, dass noch nichts Schlimmes passiert ist“, sagt auch Volker Gegenheimer, der 100 Meter weiter an der Ecke Tübinger-/Paulinenstraße ein Tabakgeschäft betreibt. „Ich wäre selbst einmal fast überfahren worden.“ Er habe noch den Luftzug des „mit höchstens zehn Zentimetern Abstand“ an ihm vorbeirauschenden Radlers am Kopf gespürt. „Ich freue mich darüber, dass immer mehr Leute in Stuttgart aufs Rad steigen“, betont Gegenheimer. „Aber auch Radler sollten sich an die Verkehrsregeln halten.“ Es gebe aber leider jeden Tag lautstarke Auseinandersetzungen zwischen Radfahrern und Fußgängern.

Bei diesem Konflikt sind Joachim Elser die Hände gebunden. Für den fließenden Radverkehr sei die Polizei zuständig. „Wegen des zeitlich befristeten Engpasses vor der Baustelle gibt es keine Kontrollen der Radler“, heißt es bei der Polizei. Beamte des Reviers Hauptstätter Straße seien aber wegen der Großbaustelle öfter vor Ort.

Kontrolleure fehlen an anderer Stelle

Die Verkehrsüberwacher der Stadt können nicht eingreifen, weil sie kein Anhalterecht haben. Für Elsers Team gibt es auf der Tübinger Straße wegen der zahlreichen Falschparker aber mehr als genug zu tun. Seit der Eröffnung im November 2012 wird die Mischverkehrsfläche, auf der alle Verkehrsteilnehmer Rücksicht aufeinander nehmen sollen, von Autofahrern trotz des Halteverbots als Parkplatz missbraucht.

Deshalb wird der 200 Meter lange Straßenabschnitt täglich von 8 bis 22 Uhr mit großem Personaleinsatz überwacht. Die Kontrolleure fehlten an anderen Stellen, die ebenfalls oft zugeparkt seien, sagt Elser.

Zusätzliche Bänke sollen installiert werden

Bei den Kontrollen wurden bis Mitte Juli fast 5000 Strafzettel in Höhe von mindestens 15 Euro ausgestellt. Erst nach einer Stunde steige der Strafzoll auf 25 Euro. „Im Vergleich mit vielen europäischen Nachbarn rangieren wir damit ganz unten auf der Bußgeld-Preisliste“, sagt Elser. Diese Sonderpreise sind für Elser ein Grund dafür, dass die Zahl der Falschparker gegenüber dem Vorjahr um rund 50 Prozent gestiegen ist.

Dabei erfasse man nach seiner Einschätzung nur 30 Prozent der Täter. „Mit den Mitteln des Ordnungsrechts ist das Parkproblem an der Tübinger Straße nicht mehr aus der Welt zu schaffen.“ Die Unterstützung durch die Polizei sei vernachlässigbar, so Elser: „Die hat in diesem Jahr bis jetzt 20 Verwarnungen wegen Falschparkens erteilt.“

Dass das Parkproblem nicht allein mit Strafzetteln aus der Welt zu schaffen ist, hat man auch im Stadtplanungsamt erkannt. „Wir verändern den Bereich zwischen der Querspange und der Sophienstraße“, erklärt Stephan Oehler, Leiter der Verkehrsplanung. An den Stellen, an denen heute illegal geparkt werde, installiere man bis Ende des Jahres zusätzliche Bänke und Abstellbügel für Fahrräder. „Davor kann dann nur noch kurz zum Be-und Entladen gehalten werden“, erläutert Oehler. Die Fahrzeuge stünden dabei zum Teil auf der Fahrbahn. Der Verkehrsplaner hofft, mit dieser Maßnahme die meisten Falschparker künftig auszubremsen. Die neuen Pläne sollen nach der Sommerpause dem Bezirksbeirat Mitte vorgestellt werden.