Für Pendler wird die B 27 zu Stoßzeiten zur Staufalle. Deshalb soll sie breiter werden. Zudem gibt es die Idee, Bussen eine eigene Spur zu geben. In Darmstadt ist dies Alltag auf einer Bundesstraße. Hat es sich bewährt?

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Filder - Welchem staugeplagten Pendler kam der Gedanke auf der B 27 noch nicht? Wie schön es doch wäre, einfach auf den Standstreifen zu schwenken und den Stau links liegen zu lassen. Für den normalen Autofahrer wird dies ein Wunschtraum bleiben. Doch für Busse ist auf den Fildern genau dies im Gespräch: Wenn zu Stoßzeiten auf der Bundesstraße mal wieder nichts geht, könnten sie auf dem Standstreifen an den Blechkolonnen vorbeiziehen. Der Filderstädter OB Christoph Traub hat jüngst diesen Vorstoß gemacht. Die Kritik kam prompt. Zu viele Autofahrer würden es dann verbotenerweise den Bussen nachmachen. Doch ist das so?

 

Ist der Vorstoß von OB Traub zu der Busspur bei Stau auf der B 27 neu?

Oberbürgermeister Traub betont, dass es nicht seine Idee war, dem Bus einen Weg vorbei am Stau zu schaffen. Diese Idee sei bereits in der Vergangenheit aufgekommen. Für ihn sei dies aber sehr schlüssig, „wenn man in Schnellbuslinien denkt“, sagt er. Die sollen schnell sein und nicht im Stau versauern. Deshalb unterstütze er ausdrücklich, dass dies im Zuge des Ausbaus der B 27 von vier auf sechs Spuren berücksichtig werden soll. Wie berichtet, soll die Bundesstraße zwischen Aichtal und Flughafen breiter werden.

Gibt es vergleichbare Busspuren auf Bundesstraßen?

Bei Darmstadt, auf der B 26, gibt es einen Fall, der Traubs Vorstoß nahe kommt. Auf der Schnellstraße zwischen Darmstadt und der östlichen Region sind zu den Stoßzeiten viele Pendler unterwegs. Vor Darmstadt staut sich der Berufsverkehr, weil sich die B 26 dort von vier auf zwei Spuren verengt und durch einen Tunnel führt. Laut Gerd Weibelzahl, dem stellvertretenden Geschäftsführer der Verkehrsorganisation Dadina, handele es sich um das größte Verkehrsproblem Darmstadts. Auf einer Strecke von zwei Kilometern dürfen Busse bei Stau auf den Pannenstreifen schwenken. Allerdings nur in einer Richtung – gen Darmstadt. Diese Regelung, die Bussen eine möglichst staufreie Fahrt ermöglicht, gibt es seit etwa 20 Jahren.

Welche Vorteile hat die Busspur auf der B 26 bei Darmstadt?

Die Vorteile liegen auf der Hand. Für Pendler wird es attraktiver auf den öffentlichen Nahverkehr umzusteigen. „Wir haben den Stau durch die Maßnahme verkürzt“, sagt der Vize-Geschäftsführer von Dadina. Und auch seine Mitarbeiterin Ilona Jäger ist voll des Lobes. Sie kennt die Regelung gut, weil sie selbst mit dem Bus auf der B 26 zur Arbeit pendelt, wie sie sagt. „Das hat sich auf jeden Fall bewährt“, sagt sie.

Gibt es auch Nachteile, die sich über die Jahre gezeigt haben?

Nicht nur positiv äußert sich Andreas Moritz von Hessen Mobil, dessen Aufgaben mit denen des hiesigen Regierungspräsidiums vergleichbar sind. „Heute würden wir es nicht mehr so machen“, sagt Moritz. Grund sei, dass es an der Strecke beispielsweise eine Ausfahrt sowie eine Zufahrt zu einem Parkplatz gebe, dadurch würden abbiegende Autos den Pannenstreifen und damit die Spur der Busse kreuzen. So könnten gefährliche Situationen entstehen. Laut Moritz würden deshalb manche Busfahrer lieber gar nicht auf den Standstreifen fahren. Ein weiteres Problem sei es, wenn ein Auto eine Panne habe. „Das ist auch ein rechtliches Problem“, sagt er. „Wir dulden es aber weiter, denn es ist faktisch ein Fahrzeitgewinn für die Busse.“

Haben die Darmstädter Tipps für die Planer auf der Filderebene?

Wenn Andreas Moritz von Hessen Mobil einen guten Rat auf die Filder schicken darf, rät er, einen solchen Busstreifen nur in Kombination mit einer Kameraüberwachung, also einer Verkehrsleitzentrale, einzurichten. Damit könne man genauer beobachten, was sich auf der Strecke tue und gegensteuern.

Auch Gerd Weibelzahl von Dadina ist bewusst, dass es sich bei dieser Vorfahrt für den Bus um eine Grauzone handelt. „Das war eine mutige Entscheidung aller Beteiligter in den neunziger Jahren“, sagt er. „Manchmal muss man aber einfach auch zu unkonventionellen Lösungen greifen.“ Den Planern in Stuttgart will er Mut machen, sich wegen der schwierigen Rechtslage nicht sofort dagegen zu entscheiden.

Nutzen denn auch viele ungeduldige Autofahrer den Standstreifen?

Offenbar hält sich die Zahl der Autos, die sich an den Bus dranhängen und ebenfalls den Stau links liegen lassen, in Grenzen. Das bestätigen sowohl Andreas Moritz von Hessen Mobil als auch die Dadina-Vertreter Gerd Weibelzahl und Ilona Jäger. Von ihrem Platz im Bus aus kann Jäger dies hin und wieder zwar beobachten, wie sie sagt. Es sei aber nicht mehr als auch auf anderen Bundesstraßen, wo Autofahrer auf dem Pannenstreifen zur Ausfahrt drängen.

Zurück auf die Filder: Was halten Busbetreiber von der Idee?

Bis Dezember 2018 haben die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) die Busse in Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen betrieben. Weder die SSB noch ihr Nachfolger, die Bahntochter Friedrich-Müller-Omnibus (FMO), ließen und lassen ihre Linien bisher auf dem fraglichen Abschnitt der B 27 fahren. „Die Linien queren allerdings den Verlauf der B 27 an einigen Stellen“, sagt eine Bahn-Sprecherin. „Hier kommt es immer wieder, aufgrund der zu hohen Auslastung dieser Bundesstraße, im Bereich der Anschlussstellen zu Rückstau und Behinderungen bei Stau.“ Die Bahn begrüße den Ausbau der B 27 daher grundsätzlich. Und beim Standstreifen geht sie sogar noch einen Schritt weiter: „Im Interesse des zügig fließenden Verkehrs unterstützen wir auch die grundsätzliche temporäre Nutzung des Standstreifens zur Verstetigung der Geschwindigkeit, beispielsweise während der Hauptverkehrszeit, nicht ausschließlich für Busse.“

Wie geht es nun nach Traubs Vorstoß konkret weiter?

Vor Weihnachten hat es laut OB Traub ein Treffen zwischen ihm, dem Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Grüne), dem Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich (CDU) und Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, gegeben. Gemeinsames Ziel sei es, den Ausbau der B 27 „konstruktiv und kreativ“ zu beeinflussen, wie Traub sagt. Geplant sei, aufs Regierungspräsidium als planende Behörde zuzugehen.