Plötzliches Bremsen irgendwo weiter vorne im Stau, liegen gebliebene Fahrzeuge am Straßenrand und andere Gefahrenquellen im Verkehr soll eine neue Technik mit dem Namen SimTD dem Fahrer melden. Das Projekt wurde jetzt vorgestellt.

Stuttgart/Frankfurt am Main - Auf den Autobahnen und Landstraßen in Deutschland sterben jedes Jahr mehrere Tausend Menschen durch Verkehrsunfälle; im Jahr 2010 waren es 3650. Unter den verschiedenen Ursachen für diese Unfälle gibt es einige, die sich vielleicht in Zukunft mit technischen Hilfsmitteln vermeiden lassen. Dies ist jedenfalls eines der Ziele eines großen Technologieprojektes, dessen Ergebnisse nun in Frankfurt präsentiert wurden und an dem alle großen Automobilhersteller, großen Zulieferer und Forschungsinstitute beteiligt waren. Der Name des Projekts: Sichere Intelligente Mobilität, abgekürzt „Sim“, mit einem angefügten, kleinen „TD“ für Testfeld Deutschland.

 

Helfen kann man dem Autofahrer, so die Hoffnung der Macher von SimTD, zum Beispiel mit Informationen, die er am Steuer nicht hat. Beim Kolonnenfahren soll er erfahren, wenn weit vor ihm ein Auto scharf bremst. Ein defektes Auto am Straßenrand soll ihm warnend angezeigt werden, ebenso ein Fahrzeug, das sich mit Blaulicht nähert und dem er Platz machen muss.

Besonders gern verweist das SimTD-Konsortium auf die Fähigkeit ihrer Testfahrzeuge, „um die Ecke zu schauen“. Ein Stauende hinter einer Kurve oder Kuppe oder ein dort liegen gebliebenes Fahrzeug kann, wenn die jetzt entwickelte Technik sich breit durchsetzt, rechtzeitig angezeigt werden. Und auch eine uralte Einrichtung der Verkehrsleitung kehrt in neuem Gewand zurück: Vor einer Ampel erfährt der Fahrer, wie lange es noch dauert, bis er grünes Licht bekommt, oder wie schnell er fahren sollte, wenn er grüne Welle haben will.

Die Ampel meldet sich beim Auto

Denn die Ampel meldet es dem Auto. Das ist das Neue an SimTD: Das Fahrzeug erhält – über eine Mobilfunk- oder Wlan-Verbindung – zusätzliche Informationen. Car-to-Car-Informationen sind ein Teil davon, insgesamt sprechen die SimTD-Macher von Car-to-X, wobei das X für alle möglichen Informationsquellen steht. Autos melden, wenn sie scharf bremsen müssen; Baustellenabsperrungen melden, wo die Baustelle beginnt, warum sie dort ist und wie lange sie bestehen wird.

Alle Informationen werden von einer Zentrale im Fahrzeug gesammelt und dem Fahrer angezeigt, sobald sie für ihn relevant werden. Der Fahrer soll nicht mit Informationen überflutet werden, so das Versprechen. Auf einer Testfahrt im Raum Frankfurt konnten sich Journalisten einen Eindruck verschaffen: Obwohl es sich um eine Demonstrationsfahrt mit künstlichen Beispielsituationen handelte, blieb es doch den größten Teil der Fahrt bei stummen Anzeigen, und nur kritische Situationen veranlassten die Technik zu auffälligen oder auch hörbaren Warnsignalen.

Guido Zielke vom Bundesverkehrsministerium stellte neben der Unfallvermeidung ein weiteres Ziel von SimTD in den Vordergrund. Sein Ministerium hat für das Projekt, dessen erste Anfänge schon vor 2009 datieren, zehn Millionen Euro gegeben; die gleiche Summe kommt vom Forschungsministerium und weitere 20 Millionen hat das Wirtschaftsministerium beigesteuert. Zielke stellte selbst die Frage nach dem Warum und beantwortete sie so: „Weil die Verkehrsinfrastruktur die Kapazität nicht hat, die dynamischen Zuwächse aufzunehmen.“ Deswegen müssten die Straßen intelligenter werden.

Hessen und vor allem der Raum Frankfurt seien als Testfeld besonders gut geeignet gewesen, sagte Florian Rentsch, der Hessische Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung. „Mit Massen von Verkehr kennen wir uns aus.“ Und ganz im Sinne von Zielke fügte er hinzu: „Wir brauchen diese Konzepte, um den Autoverkehr in den Griff zu bekommen.“

Langsamer fahren, mehr Abstand halten

Nachdem die Technik entwickelt und in Computersimulationen durchgespielt war, hat das Konsortium unter dem Koordinator Christian Weiß vom Daimler-Konzern mit Tests begonnen – auf einer abgeschotteten Teststrecke für sicherheitskritische Situationen und einem 390 Kilometer langen Parcours auf Straßen zwischen Friedberg und dem Frankfurter Kreuz für Alltagssituationen. In der Tat, so Weiß, hätten die Praxistests gezeigt, dass Fahrer, die eine Warnung bekommen, an einem Hindernis generell langsamer vorbeifahren als andere, die nicht gewarnt worden sind. Auch reagiere dichter Verkehr mit technisch aufgerüsteten Fahrzeugen insgesamt schneller und früher auf einen Stau. „Das Geschwindigkeits- und Abstandverhalten“ sei insgesamt „positiv beeinflusst“ worden.

Für die Tests hatte das Konsortium 120 Fahrzeuge aller Hersteller und drei Motorräder zur Verfügung. 500 Testfahrer legten 1,65 Millionen Kilometer zurück, um 21 eingebaute Funktionen zu testen. Die meisten Fahrer hätten, so Weiß, die Warnfunktionen akzeptiert und als hilfreich bezeichnet. Auf Rückfrage erläuterte er, dass die Fahrer über eine Personalserviceagentur gesucht und für den Test vom Konsortium angestellt worden waren. Die Testfahrten fanden also nicht im Alltag der Fahrer statt.

Eine erste Anwendung ist geplant

Weiß’ Fazit: „Car-to-X-Kommunikation ist reif für den Markt.“ Termine und Kosten wollte und konnte er aber nicht nennen, da beides in der Entscheidung der beteiligten Autohersteller liege. Vor wenigen Tagen hat allerdings der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer in Luxemburg mit seinen Kollegen aus Österreich und den Niederlanden eine Absichtserklärung unterschrieben, von Rotterdam über Frankfurt bis Wien Straßenbaustellen mit den von SimTD entwickelten Informationssystemen auszurüsten. Das erste Anwendungsbeispiel ist also in Planung.

Dieser Teil der Technik hat den Vorteil, dass mit SimTD-Technik ausgerüstete Fahrzeuge davon profitieren – unabhängig davon, ob andere Fahrzeuge auch ausgestattet sind. Das ist bei anderen Anwendungen nicht der Fall. „Um die Ecke schauen“ kann auch SimTD nur, wenn dort hinter der Ecke andere Fahrzeuge sind, die Informationen über die Verkehrslage senden.

6,5 Milliarden Euro Einsparungen durch vermiedene Verkehrsunfälle und weitere 4,9 Milliarden volkswirtschaftliche Gewinne erwartet das SimTD-Konsortium. Allerdings nur, wenn die Technik allgegenwärtig ist. Wann das sein wird, wollte in Frankfurt niemand vorhersagen.

Das Risiko der Ablenkung beim Fahren

Ablenkung
Das Mobiltelefon am Ohr lenkt Autofahrer ab. Deshalb ist in vielen Ländern der Griff zum Telefon verboten. Empfohlen wird eine Freisprecheinrichtung.

Studie
Wissenschaftler der Universität von Utah, USA, haben im Auftrag des US-Automobilverbands AAA das Fahren mit Freisprechanlage untersucht. Sie beobachteten das Telefonieren und das Erstellen von Texten, etwa von Facebook-Einträgen, durch Spracherkennung. Ihr Ergebnis: Reaktionszeiten werden länger, das Gehirn ist abgelenkt, Fahrer übersehen etwa Verkehrszeichen oder Fußgänger. Eine Freisprecheinrichtung sei nicht sicherer als das Handy am Ohr.

Forderung
Die Stiftung für Sicherheit des AAA fordert, „den Einbau neuer und potenziell gefährlicher Ablenkungen in Autos zu begrenzen“.