Auf der B 27 in Ludwigsburg gilt bald Tempo 30 – wenn auch vorerst nur nachts. Auch andere Kommunen im Kreis bereiten gerade schärfere Tempobeschränkungen vor. Die Hürden sind hoch, und der Widerstand ist fast immer stark. Ein Überblick.

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Die Debatte um ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen wird mit Verve geführt und mit allem Getöse, das bei einem solchen Thema im Autoland Deutschland dazugehört. Die einen verweisen auf Sicherheits- und Umweltschutzaspekte, die anderen wollen Gas geben. Weit weniger Aufmerksamkeit ziehen Tempobeschränkungen abseits der Schnellstraßen auf sich. Im Kreis Ludwigsburg bereiten gerade mehrere Kommunen Verschärfungen vor. Unumstritten ist auch das nicht.

 

Tempo 30 auf der Bundesstraße

Zu viele Autos, zu viel Stau, zu viel Lärm, zu viel Luftverschmutzung – und dann schneidet die B 27 die schöne Stadt Ludwigsburg auch noch in zwei Hälften. Ein Tunnel würde helfen, aber die Planung ist kompliziert und die Umsetzung wäre teuer. Jetzt unternimmt das Rathaus immerhin einen Schritt, um lärmgeplagten Anwohnern zu helfen. Im besonders belasteten Stadtteil Eglosheim, zwischen der Reuteallee und der Monreposstraße, wird auf der Bundesstraße bald Tempo 30 gelten, zumindest nachts. Bis zum Jahresende sollen alle Ampelschaltungen angepasst werden, dann kann es losgehen. „Die Lärmsituation wird sich dadurch deutlich entspannen“, sagt der Baubürgermeister Michael Ilk.

Lärm oder Sicherheit

Generell gilt: „Tempolimits werden von der für den Ort zuständigen Straßenverkehrsbehörde angeordnet“, erklärt das Regierungspräsidium (RP) in Stuttgart. Handelt es sich um einen Unfallschwerpunkt, bedarf es keiner Genehmigung aus Stuttgart. Anders ist das, wenn die Temporeduzierung dem Lärmschutz dient. Dann redet das RP mit, und zwar immer. „Die Gründe sind von der Straßenverkehrsbehörde darzustellen“, erklärt die Behörde. Wirkung, Verdrängungseffekte, die Folgen für den Busverkehr und die generelle Leistungsfähigkeit der Straße – all das muss untersucht werden. Im Fall der B 27, so Ilk, sei das eine enorm aufwendige Rechenaufgabe gewesen. Vor wenigen Tagen kam endlich die Genehmigung.

Der Nutzen

In Eglosheim ist das Ergebnis eindeutig: Der Nutzen von Tempo 30 ist so hoch, dass alle Anwohner enorm entlastet werden. Ginge es nach Ilk, hätte Ludwigsburg auch für tagsüber Tempo 30 beantragt. „Ich bin grundsätzlich offen für strengere Tempolimits“, sagt er. Auch, weil die Bundesstraße dann unattraktiver für Autofahrer wird, die vor dem Stau auf der Autobahn flüchten und die City verstopfen. „Wir haben hier Autobahnverkehr mitten in der Stadt, das kann nicht sein“, klagt Ilk. Auf Tempo 30 bei Tag konnte sich der Gemeinderat aber nicht einigen.

Für drei weitere Straßen in Ludwigsburg hat das RP jetzt ebenfalls Grünes Licht gegeben. In Neckarweihingen wird die nächtliche Tempo-30-Zone vergrößert, in Poppenweiler und Oßweil darf bald auch tagsüber auf zentralen Straßen nur noch Tempo 30 gefahren werden.

Das lange Warten

Das Beispiel Ditzingen zeigt, wie schwer es ist, im Straßenverkehr etwas zu verändern. Die Stadt kämpft seit Jahren dafür, dass die B 295 von einer Bundesstraße zu einer Ortsstraße heruntergestuft wird. Für Ditzingen hätte das Vorteile: Die B 295 trennt den Bahnhof von der City, und die Stadt würde das Areal gerne umgestalten. Solange es sich um eine Bundesstraße handelt, muss jeder Schritt mit dem RP abgesprochen werden. Und: Bei einer Ortsstraße hätte man freiere Hand, Tempo 30 einzuführen.

„Die Zuständigkeiten im Verkehrsbereich sind zersplittert“, sagt Andreas Fritz, der Sprecher des Landratsamts. Zuständig sind entweder der Kreis, die Stadt selbst oder das RP – abhängig von der Größe der Stadt und der Art der Straße. Ditzingen bleibt in diesem Fall nichts anderes übrig, als zu warten. „Mehr können wir nicht machen“, sagt das Rathaus.

Lesen Sie hier: Sechs Gründe für und gegen ein Tempolimit auf Autobahnen

Geradezu ein Vorbild für Fans von Tempolimits ist Gerlingen. Fast in der gesamten Innenstadt gilt Tempo 30 – teils aus Sicherheits- und teils aus Lärmschutzgründen. Hier zeigt sich indes ein anderes Problem: Das Limit wird oft missachtet und kann nicht durchgehend kontrolliert werden. Die Stadt lässt daher, wo es möglich ist, zusätzlich lärmoptimierten Asphalt verlegen. Auch in Ludwigsburg und anderswo wird, wenn Straßen saniert oder neu gebaut werden, oft ein Belag benutzt, der den Lärm verringert. Das Lärmminderungspotenzial liegt bei rund drei Dezibel. In etwa gleichem Umfang geht der Lärm zurück, wenn das Tempo von 50 auf 30 Stundenkilometer sinkt.

Die Kritiker

Gegner von Tempo 30 wenden ein, dass Tempolimits nicht nur den Individualverkehr treffen, sondern auch Busse. Bietigheim-Bissingen wird demnächst einen neuen Lärmaktionsplan festsetzen, der auch schärfere Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Innenstadt beinhaltet. Mit der Umsetzung soll jedoch so lange gewartet werden, bis der Verkehrsverbund neue Rahmenfahrpläne erstellt, der die geringere Geschwindigkeit der Busse berücksichtigt. Andernfalls sei damit zu rechnen, dass die Fahrpläne nicht mehr eingehalten werden können. Auch Michael Ilk, der Ludwigsburger Baubürgermeister, sagt: „Das ist nicht von der Hand zu weisen.“

Die Alternative

In einem Pilotprojekt wird bald auf der A 81 bei Freiberg und in mehreren Tunneln im Kreis ein neuer Straßenbelag getestet. Eine Epoxidharzmischung soll die Haltbarkeit und Griffigkeit verbessern, aber nicht nur das: Der Belag soll den Lärm der Straße weit stärker reduzieren, als es mit Asphalt bislang möglich ist. Das Harz muss lediglich auf die Fahrbahn aufgetragen werden, was die Bauarbeiten extrem verkürzt. Auch innerhalb von Städten kann das interessant sein – wenn der Test erfolgreich verläuft. „Wir werden uns das jedenfalls sehr genau anschauen“, sagt Ilk.