Verkehr in Böblingen Ein neues Schild soll Radlern helfen

Schwierig zu erkennender Helfer: Das neue Schild in der Oberen Poststraße. Foto: Stefanie Schlecht

An der Oberen Poststraße steht eines der jüngsten Straßenschilder der Republik. Es soll Radler an dieser schwierigen Stelle unterstützen, indem Autos nicht überholen dürfen. Es steht aber ziemlich abseits.

Böblingen ist eine moderne Stadt. Auch was die Regelung des Verkehrs betrifft. Seit wenigen Wochen ist die Stadt Besitzerin eines Neuzugangs im Sortiment der Verkehrszeichen. In der Oberen Poststraße steht Schild 277.1.

 

Die Autos müssen mit der zweiten Reihe Vorlieb nehmen

Dieses zeigt ein Fahrrad, ein Motorrad sowie ein Auto und gehört zu den jüngsten Straßenschildern der Republik. Die Zweiräder sind schwarz, das Auto ist rot und die Botschaft unmissverständlich: Die Pkw müssen sich hier mit der zweiten Reihe begnügen. Seit April 2020 gibt es das Schild „Überholverbot von Zweirädern“. Widmen soll es sich dem Schutze der schwächeren Verkehrsteilnehmer – vor allem dort, wo es eng, steil und unübersichtlich ist.

Steil ist es auch in der Oberen Poststraße – und eng ebenfalls. So eng, dass der Platz auch ohne den Hinweis auf dem Schild nicht ausreichen würde, um Zweiradfahrer regelkonform zu überholen. Denn dafür braucht es innerorts mindestens 1,50 Meter Abstand, sagt die Straßenverkehrsordnung.

Für die Autofahrer ist das Schild schwierig zu erkennen

„Das gibt der Straßenraum an dieser Stelle nicht her“, weiß Stadtsprecher Gianluca Biela. Weil wohl zu viele Menschen hinter dem Lenkrad dieses Augenmaß nicht besitzen oder besitzen wollen, hat die Stadt nun Verkehrshelfer 277.1 geordert – quasi als Wink mit dem Zaunpfahl und städtische Solidaritätsadresse an die zweirädrigen Straßennutzer. „Wir wollen das gesetzliche Überholverbot hier verdeutlichen“, betont Biela. Die Radelnden soll ein Gefühl von Sicherheit begleiten, wenn sie den Berg Richtung Postplatz bewältigen.

Vorbei sein sollen die Zeiten, in denen die Autofahrer mit der Hand an der Hupe und dem Gefühl Recht zu haben im Kopf, die Fahrradfahrer den Berg hoch treiben. „Die Autofahrer werden an das Überholverbot erinnert werden“, glaubt Gianluca Biela. Um diese wichtige Aufgabe zu erfüllen, haben die städtischen Schilderverteiler dem Neuling jedoch eine zentrale Position verwehrt: Auf einer Stange in geschätzt drei Metern Höhe drängt sich das Schild nicht gerade in den Blick der Autofahrer.

Die Stadtentwicklung hat hier ein Problem

Kollege 277.1 weist von dort aber nicht nur auf das gefahrlose Miteinander im Straßenverkehr hin, sondern auch auf eine offene Flanke der Böblinger Stadtentwicklung: Seit vielen Jahren gibt es bereits den „Masterplan Schlossbergring“ – nichts anderes als der Verwaltungs-Sprech für die Bemühungen, die Straßenschleife um die Altstadt so zu verändern, dass dort weniger Verkehr und mehr Lebensqualität einkehrt. Dann wäre wohl auch Schluss damit, dass die Fahrradfahrer im Einbahnverkehr auf dem Radweg um den Schlossbergring gescheucht werden. Zu Ende wäre vermutlich auch dessen Funktion als Durchgangsstraße. Alles keine einfach zu lösenden Probleme – vor allem so lange die Autobahn Dauerbaustelle ist und die parallel entstehende Querspange die Autos noch nicht an der Innenstadt vorbei führt.

Wie dann den Verkehr an dieser Stelle unter einen Hut bringen? Dies ist eine Frage, auf die es derzeit keine Antwort gibt. „Das Radangebot Richtung Postplatz auszuweiten, ist unser mittelfristiges Ziel“, betont Gianluca Biela – mit Betonung auf mittelfristig. „An dieser Baustelle sind wir gerade nicht dran“, räumt er ein. Zuvor gelte es – wie überall in der Stadt – den Kompromiss zwischen Parkplätzen, Bäumen und Radwegen zu finden.

Wer das Schild missachtet, für den wird’s teuer

Dass das Schild so lange den Unmut der Autofahrer provoziert, hofft Stadtsprecher Biela nicht. „Sind 150 Meter hinter einem Radler herzufahren wirklich eine Einschränkung?“, fragt er. Mehr als Tempo 30 sollte man an dieser Stelle als Autofahrer sowieso nicht fahren, empfiehlt er.

Falls das neue Schild, wie der Selbsttest nahe legt, die Ignoranz der Autofahrer auf sich zieht, hilft vielleicht auch der Hinweis auf den Bußgeldkatalog: 70 Euro weniger im Geldbeutel hat, wer Schild 277.1 eine lange Nase macht. Wenn’s hart kommt, gibt’s noch einen Punkt in Flensburg obendrauf.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Böblingen Radfahrer Radler Auto