Das Land will in den kommenden Monaten alle 150 Autobahnauffahrten mit zusätzlichen Fahrbahnmarkierungen versehen. Der Verkehrsminister hofft, damit die Zahl der Geisterfahrer zu reduzieren.

Stuttgart - Durch zusätzliche Fahrbahnmarkierungen an Autobahnauffahrten sollen künftig in Baden-Württemberg Geisterfahrten mit oftmals fatalen Konsequenzen reduziert werden. Landesverkehrsminister Winfried Hermann griff am Samstag persönlich zum Heißbrenner, um die Auffahrt von der Landesstraße 1202 auf die A 8 zwischen Neuhausen und Nellingen (Kreis Esslingen) mit entsprechenden Pfeilen nachzurüsten. Die Auffahrt ist die erste im Land, die zusätzlich markiert wird – 150 weitere sowie rund 50 Raststätten sollen folgen. Ein Drittel davon liegt allein im Regierungsbezirk Stuttgart.

 

Erst am frühen Samstagmorgen war erneut ein Geisterfahrer auf der Autobahn 5 nahe Weil am Rhein frontal mit einem mit einer Schulklasse besetzten Reisebus zusammengestoßen. Der Falschfahrer kam bei dem Unfall ums Leben, die Businsassen hatten offenbar Glück: nur der Fahrer und ein Schüler wurden verletzt. Hermann erinnerte aber auch an den schweren Unfall im November vergangenen Jahres, bei dem ein offenbar unter Alkoholeinfluss stehender 20-jähriger Autofahrer bei Achern die falsche Auffahrt auf die A 5 genommen hatte. Beim Crash mit einem Minivan kamen der Falschfahrer und fünf weitere Menschen ums Leben. Just an der Anschlussstelle Achern-West will Hermann in dieser Woche ebenfalls neue Markierungen anbringen.

Im ersten Halbjahr schon zehn Geisterfahrer-Crashs im Land

Im April diesen Jahres kam es bei der Anschlussstelle Böblingen/Sindelfingen ebenfalls zu einem Crash, als ein 82-jähriger ortsunkundiger Autofahrer auf die falsche Fahrbahn in Richtung Autobahn 831 und dann auf die A 81 geriet. Nachdem er rund 14 Kilometer lang auf der falschen Spur unterwegs war und dabei etliche entgegenkommende Fahrzeuge gestreift hatte, kollidierte er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Ein Beifahrer sowie der Geisterfahrer starben, seine Ehefrau wurde schwer verletzt.

Für den Minister drei Fälle von bundesweit rund 20 tödlich endenden Geisterfahrten pro Jahr, die es zu vermeiden gilt. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigt nach Hermanns Angaben, dass es allein im ersten Halbjahr 2013 in Baden-Württemberg zehn Unfälle mit tödlichem Ausgang gegeben habe. Nach dem Unfall bei Achern habe er Experten seines Ministeriums angewiesen, schnell umsetzbare Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Die Einführung des in Österreich erprobten Modells, wo in Neongelb gehaltene große Schildern mit einer schwarzen Handfläche und der Aufschrift „Stopp“ und „Falsch“ an vielen Autobahnauffahrten installiert wurden, erweis sich als unpraktikabel. Zwar laufen in Bayern erste entsprechende Modellversuche, doch bis zu einer Zulassung durch die deutsche Straßenverkehrsbehörde könnten zwei bis drei Jahre vergehen. Derzeit würden erste Ergebnisse aus Bayern vom Bundesamt für Straßenwesen ausgewertet, so der Chef der Abteilung Verkehr beim Regierungspräsidium Stuttgart, Konradin Heyd.

Hermann kalkuliert mit Kosten von knapp einer Million Euro

Nicht in Erwägung gezogen wurden auch sogenannte Krallen, die automatisch ausfahren, wenn ein Autofahrer die falsche Auffahrt nimmt und dessen Wagen zum Stillstand bringen. Laut Winfried Hermann hat dieses System den Nachteil, dass dann zunächst einmal die Straße komplett blockiert sei. Also entschied sich das Ministerium für eine andere, schneller umsetzbare und nicht zuletzt wohl auch billigere Variante: An jeder Auffahrt im Land sollen künftig weiße, reflektierende und entgegen der Fahrtrichtung angebrachte Pfeile auf dem Asphalt die Autofahrer darauf aufmerksam machen, dass sie in der falschen Richtung unterwegs sind. Zudem werden vor der Auffahrt an den Abbiegespuren die durchgezogenen Markierungen verlängert und die falsche Einfahrt durch eine doppelte, durchgezogene Linie kenntlich gemacht. Pro Ausfahrt kalkuliert der Verkehrsminister mit Kosten von 3000 bis 4000 Euro.

Langfristig hofft Winfried Hermann auf neue technische Warnmöglichkeiten. So werde bereits mit sogenannten GPS-Systemen in den Fahrzeugen experimentiert, die Falschfahrer mit einem lauten Signal warnen sollen. Doch bis zur Serienreife und Ausrüstung aller Fahrzeuge ist es noch ein weiter Weg. Bis dahin setzt der Minister auf Aufklärung: Für Juli kündigte er einen Kabinettsbeschluss für eine groß angelegte Verkehrssicherheitskampagne an.