Eine Konferenz zur ÖPNV-Strategie 2030 markiert den Auftakt zur Neuausrichtung des öffentlichen Personennahverkehrs. Doch die Verkehrswende klappe nur, wenn Privilegien fallen, so die Verkehrsexpertin Katja Diehl.

Verdopplung der Fahrgastzahlen in Bussen und Bahnen, dichtere Takte, höhere Zuverlässigkeit, kürzere Reisezeiten und die Entwicklung einer positiven Kultur des öffentlichen Personennahverkehrs: Was sich das Land mit der ÖPNV-Strategie 2030 auf die Fahnen geschrieben hat, dürfte, wie es Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montag in Leinfelden-Echterdingen betont hat, tatsächlich „ein Kraftakt“ werden.

 

Bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent verringern

Die Veranstaltung in der Filderhalle, zu der mehr als 200 Mobilitätsexperten, Vertreter von Verkehrsverbünden und Kommunen aus ganz Baden-Württemberg eingeladen waren, markiert den Startschuss für die Umsetzung der ÖPNV-Strategie der Landesregierung für die kommenden acht Jahre. Der Plan, mit dem der Autoverkehr eingedämmt werden soll, ist Teil der Verkehrswende, die zum Ziel hat, bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Land um 55 Prozent gegenüber 2019 zu verringern. „Wären wir eine Kirche, würden jetzt die Glocken läuten“, sagte Hermann zum Auftakt der Konferenz.

Die Buchautorin und Verkehrsexpertin Katja Diehl, deren Teilnahme an der Veranstaltung im Vorfeld vonseiten der Landtags-FDP kritisiert worden war, unterstrich in ihrem Vortrag die Notwendigkeit einer „neuen ÖPNV-Kultur“. „Ohne dass gleichzeitig die Privilegien des Autos fallen, wird sich jedoch nichts ändern“, betonte Diehl.

Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Alexis von Komorowski, hob hervor, dass die Klimaschutzziele nicht erreicht werden, „wenn es nicht gelingt, den Verkehrssektor in eine nachhaltige Mobilitätswelt zu überführen“. Bei der Finanzierung der sogenannten Mobilitätsgarantie, die die Mindeststandards für die ÖPNV-Angebote in Baden-Württemberg definieren soll, sieht von Komorowski gleichwohl das Land „in der primären Verantwortung“.

Die von Hermann angestrebte Verdopplung der Fahrgastzahlen bezeichnete der Vorsitzende der Landesgruppe des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Alexander Pischon, angesichts der Klimaherausforderungen „schlicht als „Notwendigkeit“. Hierfür brauche es jedoch zugleich eine Verdopplung bei Fahrzeugen, Gleisstrecken sowie beim Fachpersonal.

Verkehrsminister kritisiert die Blockadehaltung des Bundes

Der Verkehrsminister kritisierte in diesem Zusammenhang die Blockadehaltung des Bundes. „Obwohl es im Koalitionsvertrag stand, hat die Bundesregierung die Regionalisierungsmittel in diesem Jahr nicht erhöht“, sagte Hermann. Und auch im Haushaltsentwurf 2023 seien die Gelder nicht eingestellt. Mit den Regionalisierungsmitteln unterstützt der Bund den Schienenpersonennahverkehr der Länder.

Herrmann will sich im Rahmen der aktuellen Haushaltsberatungen nun für zusätzliche Landesmittel zur Finanzierung der ÖPNV-Offensive einsetzen. „Es ist jedoch klar, dass seitens des Bundes und der Kommunen ebenfalls zusätzliche Mittel bereitgestellt werden müssen.“