Um in Stuttgart an mehr Stellen Stickoxide zu erfassen, soll die Station aus der Grabenstraße verlegt werden.

Leonberg - „Ich trage die Entscheidung der Landesregierung mit, weitere Messstellen in Stuttgart einzurichten. Dies darf aber nicht auf Kosten von belasteten Gemeinden im direkten Umland geschehen.“ So schreibt es der Leonberger Landtagsabgeordnete Bernd Murschel (Grüne) in einem Brief an seinen Parteikollegen und Landesverkehrsminister Winfried Hermann.

 

Hintergrund ist ein in der grün-schwarzen Koalition ausgehandelter Kompromiss, mehr Messstellen in der schadstoffgeplagten Landeshauptstadt einzurichten. Geplant ist, 15 einfachere Passivsammler anzubringen und die Containeranlage aus der Leonberger Grabenstraße nach Stuttgart umzusetzen. Als Ersatz soll es demnach in Leonberg nur einen Passivsammler geben, der jedoch keine stündlichen Werte misst und nur zeitversetzt Daten liefert.

Mehr Verkehr wegen vieler Baustellen

Kritik an den Plänen hatte bereits der Leonberger Oberbürgermeister Martin Kaufmann geäußert. Bernd Murschel weist in seinem Brief an den Verkehrsminister darauf hin, dass die Jahresmittelwerte für Stickstoffdioxid in der Grabenstraße weiter über den Grenzwerten liegen und zuletzt leicht gestiegen sind. Das Verkehrsministerium hatte dies mit Baustellen auf den Autobahnen rings um Leonberg begründet, die zu mehr Verkehr in der Stadt und damit auf der Grabenstraße geführt hätten. „Allerdings ist in Zukunft – vor allem auch durch die geplante Sanierung des Engelbergtunnels – mit vermehrtem Umleitungsverkehr durch die Innenstadt Leonbergs zu rechnen“, schreibt der Landtagsabgeordnete. Die offizielle Umleitungsstrecke führe genau an der Messstation vorbei.

Andere Messcontainer besser geeignet

Murschel bittet den Minister in seinem Schreiben, den Messcontainer nicht nach Stuttgart zu verlagern und durch einen Passivsammler zu ersetzen. „Andere Messstellen im weiteren Umland zeigen hingegen rückläufige Werte und kämen eher zum Einsatz in Stuttgart in Frage“, schließt der Grünen-Abgeordnete, der auch im Leonberger Gemeinderat sitzt.

Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Verkehrslärm (AGVL), Ewald Thoma, hält die Begründung des Ministeriums ebenfalls für fehlerhaft. „Den Anstieg mit Bauarbeiten auf der Autobahn zu erklären, zieht nicht. Denn uns erwarten ja bekanntlich jahrelange Bauarbeiten im Engelbergtunnel. Das heißt, es ist bei uns ein Dauerproblem“, sagt der Leonberger.

Belastung auch bei Ozon und Feinstaub

In der Grabenstraße ist seit Beginn der Messungen 2004 nicht nur Stickstoffdioxid erfasst worden, sondern auch Feinstaub. Nachdem dort aber die Grenzwerte seit 2012 nicht mehr überschritten worden waren, wurden die Messungen zum Jahr 2016 eingestellt. Nach Ansicht von Thoma, der auch privat Feinstaubmessungen in der Stadt macht, sind die Werte weiterhin hoch. Kommt der Container jetzt weg, könnten entsprechende Untersuchungen durch die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) nicht wieder aufgenommen werden. Dafür müsste die nötige Ausrüstung nur wieder in die Station eingebaut werden. Auch andere Werte könnten später nicht mehr erfasst werden. Thoma sieht insbesondere beim Ozon Handlungsbedarf. „Die Werte sind an den Rändern des Ballungsgebiets am höchsten“, sagt er. Die nächste Messstelle dafür sei in Gärtringen, die dort erfassten Zahlen gehören zu den höchsten in ganz Deutschland.

Höhere Werte am alten Standort

Bereits den jetzigen Standort vor der Hausnummer 14 in der Grabenstraße der Messstation hält der Sprecher der AGVL für problematisch. „Dort herrscht zuviel Durchlüftung“, sagt Ewald Thoma, der sich mit Verkehr und dessen Folgen wie Lärm und Verschmutzung seit mehr als 20 Jahren beschäftigt. Der frühere Standort oberhalb des Hirschbrunnens (Hausnummer 1) sei viel repräsentativer und dort wurden in der Vergangenheit deutlich höhere Werte gemessen als am jetzigen Platz. „Das zeigen Parallelmessungen aus den Jahren 2005 und 2006, wo sich die Jahresmittelwerte um 20 bis 30 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft unterschieden“, erklärt Ewald Thoma mit Verweis auf offizielle Daten.

Hohe Belastung durch Autobahnen

Auch nach der Sanierung der Grabenstraße und dem Umzug des Messcontainers an den jetzigen Platz hatte es eine parallele Erfassung gegeben. Der jetzige Standort wies dabei im Jahresmittel 47 Mikrogramm aus, ein Passivsammler am alten Platz dagegen 60 Mikrogramm.

„Leonberg hat so schon eine große Hintergrundbelastung durch die Autobahn“, sagt Thoma. Seine AG Verkehrslärm fordert deshalb schon seit Jahren ein Tempolimit von 80 auf den Autobahnen rund um die Stadt. Die gültige Begrenzung auf Tempo 30 in der Leonberger Innenstadt – allerdings aus Lärmschutzgründen – reduziere auch die Schadstoffbelastung. Das wohl wichtigste Instrument sei aber ein Luftreinhalteplan für die ganze Region und nicht mehr nur einzelne Kommunen.