Die Stadt Paris führt ab sofort den großflächigen Verleih von Elektroautos ein. Doch nicht nur Umweltvertreter sind skeptisch.  

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Paris ist noch immer gut für eine kleine Revolution. Am Montag hat der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë den Startschuss für ein weltweit neuartiges Projekt gegeben: den urbanen Autoverleih ohne lokalen Schadstoffausstoß. Unter dem Namen "Autolib" stellt die Stadt vorerst 250 Elektrowagen an ebenso vielen Ladestellen zur Verfügung. Zielgruppe sind Leute, die aus Umwelt- oder anderen Gründen auf einen eigenen Wagen verzichten, aber dennoch nicht die öffentlichen Verkehrsmittel benützen wollen.

 

Die Elektroautos heißen Bluecar, auch wenn sie silbergrau getönt sind, und wurden vom französischen Milliardär Vincent Bolloré produziert. Der Unternehmer machte sein Geld mit Finanzanlagen und Afrikahandel; einer breiteren Öffentlichkeit ist er seit vier Jahren bekannt, als er den frisch gewählten Staatspräsidenten auf seine Yacht im Mittelmeer einlud und damit den ersten Skandal der Sarkozy-Ära auslöste. Bolloré setzte sich in der Ausschreibung gegen Projekte von Peugeot und Daimler durch.

Erster flächendeckender Autoverleih von Elektrowagen

Autolib ist einem Fahrradverleih nachempfunden, den Delanoë schon im Jahr 2007 mit Erfolg in Paris einführte. Wer einen elektrischen Viersitzer mieten will, muss zuerst unter seinem Namen ein Abonnement erstehen, das Diebstählen und Vandalismus vorbeugen soll und zum Beispiel für eine Woche 15 Euro kostet. Die Kosten der eigentlichen Fahrt belaufen sich auf rund sechs Euro pro halbe Stunde. In den Parkstationen - ein Drittel von ihnen ist in Tiefgaragen angesiedelt - lädt man den gemieteten Wagen an einer Zapfsäule selber auf, bevor man lossurrt. Die Rückgabe muss nicht am gleichen Ort erfolgen.

Bis im Frühling will Delanoë 3000 Bluecars an 1200 Ladestellen in Paris und den 46 Vororten anbieten. Damit wird Autolib zum ersten flächendeckenden Autoverleih, der nur mit Elektrowagen auskommt. Kleinere Projekte mit teilweise herkömmlichem Fahrzeugangebot laufen in Ulm, Austin (Texas) oder Vancouver (Kanada).

Keine Taxi-Kunden und freie Parkplätze mehr

In Paris stößt das Vorhaben auf bedeutend mehr Kritik als der Fahrradverleih Velib. Taxifahrer fürchten um Kunden, und Gewerbetreibende monieren, die Bluecars zerstörten massenweise normale Parkplätze. Damit haben sie nicht unrecht: Wegen der Brand- oder Explosionsgefahr der Batterien und der Zapfsäulen-Installation verdrängt ein einziger Autolib-Standplatz ein halbes Dutzend normale Wagen. Bolloré behauptet zwar, seine Batterien aus Lithium-MP erhitzten sich im Unterschied zu den herkömmlichen Lithium-Ionen-Energiegträgern überhaupt nicht. Das Kontrollorgan Ineris hat aber trotzdem Brandschutzwände sowie Wagenabstände von 15 Metern vorgeschrieben. "Warum nicht gleich einen Feuerwehrmann vor jedes Autolib stellen?", frotzelte das Satireblatt Canard Enchaäné.

"Autolib wird alle Städte der Welt verändern"

Den Pariser Grünen ist es nur recht, dass die Autolibs viele Parkplätze für gewöhnliche Spritfresser blockieren. Trotzdem meinen sie, mit dem System werde den Bürgern "ökologisch Sand in die Augen gestreut". Mit einem Umsteigeeffekt sei kaum zu rechnen; im Gegenteil dürften eher Metro- oder Busbenutzer ein Autolib mieten, wenn sie sperrige Waren transportieren müssten. Angesprochen seien jene 60 Prozent der Pariser, die kein eigenes Auto besitzen. Damit werde sich der Verkehr in den verstopften Quartierstraßen und Boulevards noch mehr verdichten. Die Grünen hätten deshalb eher ein konsequentes Car-Sharing bevorzugt.

Die konservative Regierung Frankreichs setzt aber landesweit massiv auf Elektrowagen und subventioniert deshalb auch das Autolib-Unternehmen. "An dem Tag, an dem der Erfolg bestätigt ist, wird Autolib alle Städte der Welt verändern", meint der Sozialist Delanoë. Vorerst müssen aber die Pariser ihr Verhalten anpassen. Ein Testfahrer zeigte sich zwar begeistert vom "Gleitgefühl" in dem geräuschlosen Bluecar. Die Hupe sei aber viel zu leise, fügte er an: "Als ein Mann vor mir auf der Fahrbahn ging, musste ich den Kopf aus dem Fenster strecken und laut rufen, damit er zur Seite ging."