„Die City-Maut ist Blödsinn“, meint Hans Pfeifer von der City-Initiative. Auch Vertreter von CDU, Grünen, SPD und FDP sind gegen Hermanns Bezahlsystem.

Stuttgart - Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat für seinen Vorschlag, für besonders belastete Städte wie Stuttgart eine City-Maut einzuführen, überwiegend Kritik geerntet. „Die Idee, Innenstädte von Abgasen und Feinstaub zu entlasten, ist natürlich zu begrüßen“, sagte Stuttgarts OB Wolfgang Schuster (CDU). „Das Schlagwort City-Maut bringt uns in der Diskussion aber überhaupt nicht weiter.“ Noch im Herbst habe Hermann gesagt, dass sie kein Thema für die Landesregierung sei. „Die Autofahrer beliebig zusätzlich zu belasten ist keine Lösung“, so der OB.

 

Lob kommt lediglich von SÖS/Linke: „Überrascht und mit großer Freude“ habe man auf die Äußerungen Hermanns reagiert, der neben der Maut sogar über „radikale Varianten bis hin zum Zwangsticket für alle Bewohner eines Großraums bei gleichzeitigem Nulltarif im ÖPNV“ nachdenke. Die Fraktionsgemeinschaft habe in den Etatberatungen eine City-Maut beantragt, die Verwaltung habe das Ansinnen aber mit der Begründung abgewimmelt, die Landesregierung wolle das nicht.

„Das Geld aus der Tasche gezogen“

Mit Hermanns Vorstoß erhält das Verkehrsentwicklungskonzept (VEK) Brisanz, das die Stuttgarter Stadtverwaltung derzeit erstellt. Bei der letzten Debatte darüber Ende 2010 hatten vor allem CDU und FDP eine Formulierung zur City-Maut zum Anlass genommen, das gesamte Konzept infrage zu stellen. Unter dem Punkt „preispolitische Instrumente“ hatte die Verwaltung die Meinung vertreten, bei entsprechender Ausgestaltung sei sie „ein wirksames Instrument zur Beeinflussung des Verkehrsverhaltens“. Und sofern die Möglichkeit dazu bestehe, solle dieses Instrument auch in der Region genutzt werden. Im Entwurf der Verwaltung wurde aber auch erwähnt, dass es „bis jetzt keine Rechtsgrundlage gibt, die den Kommunen erlaubt, eine City-Maut, Nahverkehrsabgabe oder Ähnliches zu erheben“.

Die FDP-Ratsfraktion hatte gedrängt, diese Passagen zu ändern. Sie befürchtet, dass Arbeitsplätze in Stuttgart für Pendler unattraktiv würden oder sich das Kultur- und Sportangebot sowie Einkäufe verteuerten. Der Fraktionschef Bernd Klingler wehrt sich dagegen, „dass den Bürgern das Geld aus der Tasche gezogen wird“. Man wolle „nicht verhehlen, dass für den Klimaschutz etwas getan werden muss“, aber nicht mit solchen Maßnahmen.

Das Institut für Straßen- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart ist zum Schluss gekommen, eine City-Maut sei zwar für deutsche Städte machbar, derzeit aber „nicht empfehlenswert“, weil Einzellösungen nicht erstrebenswert seien und deutsche Städte keine Monozentren wie etwa London seien, wo die Maut erfolgreich praktiziert wird. Eine Pkw-Maut in Deutschland erfordere ein bundes-, wenn nicht europaweit einheitliches System zur Mauterfassung.

Deutliche Worte

„Eine City-Maut wäre ein Abfangjäger für viele Kunden, die mit dem Auto kommen, um in unseren schön hergerichteten Innenstädten einzukaufen“, so Horst Lenk, Präsident des Handelsverbandes Baden-Württemberg. Der Geschäftsführer der City-Initiative und stellvertretende Chef der SPD-Ratsfraktion, Hans Pfeifer, sieht anders als die Linken keine gesellschaftspolitischen Vorteile für den Normalbürger: „Wer es sich leisten kann, darf fahren und weiterhin die Umwelt belasten, und die Geringverdiener sind wieder die Dummen.“

Im Namen der City-Initiative, einem Zusammenschluss von Einzelhändlern, findet Hans Pfeifer deutliche Worte: „Die City-Maut ist Blödsinn“. Er verweist auf die „fehlenden gesamtwirtschaftlichen und ökologischen Effekte“ einer Maut. Aus Stuttgarter Sicht wäre sie „ein grandioses Konjunkturprogramm für die umliegenden Städte und die Einkaufszentren auf der grünen Wiese“. Der Verbandspräsident Horst Lenk stößt ins selbe Horn: Er spricht vom „Todesstoß für viele Innenstädte und ihre Einzelhandelsgeschäfte“. Die Läden seien darauf angewiesen, dass die Verbraucher sie gut erreichen können.

Organisatorische Herkulesaufgabe

Aber nicht nur der Koalitionspartner SPD und die FDP-Landtagsfraktion erteilten Hermanns Vorschlag eine Absage. Auch die eigene Partei sieht darin zumindest derzeit keine Lösung. Der Fraktionschef im Rathaus, Peter Pätzold, sieht in der Temporeduzierung und im Parkraummanagement, wie es im Westen praktiziert wird, geeignetere Ansatzpunkte.

Oberbürgermeister Schuster hielte die City-Maut, die sich kaum auf einzelne Kommunen beschränken könnte, für eine organisatorische Herkulesaufgabe: „Wo genau soll Maut erhoben werden? Welche Ausnahmen macht man für Bürger oder Unternehmer, die auf das Auto angewiesen sind? Was wird aus der Kraftfahrzeugsteuer? Wollen wir in Stuttgart sogar Sperren aufbauen?“ Auch die datenschutzrechtliche Komponente gelte es zu berücksichtigen: „Wollen wir wirklich alle Autos, alle Fahrten erfassen“, fragt der OB.