Ein Verkehrsexperte kürt den Südwesten zur Stauhochburg. Besonders lang steht man demnach auf der Neuen Weinsteige in Stuttgart. Trotzdem sehen die Experten das Land auf einem guten Weg.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die zwei schlimmsten Staustrecken Deutschlands liegen im Südwesten der Republik. Sowohl für den Abschnitt Mannheim-Sandhofen bis Viernheimer Dreieck der Autobahn 6 wie auch für die Passage von der Anschlussstelle Sigmaringer Straße bis zum Bopser auf der Bundesstraße  27 in Stuttgart hat der Verkehrsdatenanalyst Inrix für das Jahr 2017 Spitzenwerte ermittelt – wenn in diesem Zusammenhang überhaupt von Spitze die Rede sein darf.

 

Besonders krass fällt der Zeitverlust auf dem Autobahnteilstück im baden-württembergisch-hessischen Grenzgebiet aus. Auf der gerade einmal 6,5 Kilometer langen Relation verlören Autofahrer pro Jahr 69 Stunden, heißt es in der Analyse des Unternehmens. Allerdings räumt man bei Inrix ein, dass das Ergebnis „durch eine Periode umfangreicher Bauarbeiten verzerrt“ worden sei. Zum Vergleich: Auf dem zweitplatzierten Abschnitt von Degerloch hinunter in die Stadt ließen Autofahrer „nur“ 31 Stunden pro Jahr liegen.

Der Weinsteigestau hat es schon in den Tatort geschafft

Dem fast schon obligatorischen Weinsteige-Stau ist im vergangen Jahr in einer Tatort-Folge sogar ein filmisches Denkmal gesetzt worden. Bereits in einer Inrix-Zwischenbilanz im vergangenen Herbst hatte sich die südliche Einfallstraße als heißer Kandidat für den Titel der stauträchtigsten Straße hervorgetan. Auf der aussichtsreichen Panoramastrecke machten die Verkehrsexperten einen Stau von bemerkenswerten Ausmaßen aus: Am 7. Juli 2017 bildete sich in den Morgenstunden eine Blechkolonne, die sich zähe elf Stunden lang nicht mehr auflösen wollte.

Im bundesweiten Vergleich nimmt Stuttgart entgegen anderslautender Gerüchte keinesfalls den Spitzenplatz der Staugeplagten ein. Diese Krone gebührt München. Zu Stoßzeiten summieren sich im Jahresdurchschnitt die Verzögerungen in der bayerischen Landeshauptstadt auf 51 Stunden. Stuttgart kommt mit einem Wert von 44 Stunden auf Rang vier. Dazwischen schieben sich Hamburg und Berlin mit gleichfalls 44 Stunden – allerdings mit großen Zuwachsraten, weshalb sie vor der baden-württembergischen Landeshauptstadt rangieren.

500 Terrabyte Daten ausgewertet

Freilich schauen die Experten nicht nur auf Deutschland, geschweige denn auf den Südwesten. Für ihre aktuelle Erhebung haben sie Daten über Stauaufkommen in 1360 Städten in 38 Ländern untersucht. Deutschland landet dabei weltweit auf Rang elf der Stillstandssstaaten, europaweit reicht es noch für einen vierten Platz. Inrix greift für seine Analysen auf die Daten von 300 Million vernetzten Autos und Geräten zurück – insgesamt sind dabei 500 Terrabyte an Daten aufgelaufen.

Dass der Stillstand nicht nur an den Nerven jener zehrt, die am Steuer zum Nichtstun verdammt sind, unterstreicht Graham Cookson, Chef-Volkswirt. „Staus kosten die Deutschen über 30 Milliarden Euro pro Jahr, bedrohen das Wirtschaftswachstum und beeinträchtigen die Lebensqualität“. Die Bemühungen des Landes, in den Erhalt des Straßennetzes zu investieren, bewerten die Datenanalysten positiv. So verzeichnen sie, dass in Baden-Württemberg „zwischen 2011 und 2016 über 1000 Kilometer Bundes- und Landesstraßen verbessert werden“ konnten. Das blieb nicht ohne Folge – vor allem im Unterland. „In Heilbronn sind große Verbesserungen zu verzeichnen, dort fiel die durchschnittlich im Stau verbrachte Zeit von 45 auf 38 Stunden im Jahr“.