Schon kleine Zwischenfälle lassen den Verkehr zusammenbrechen. Jetzt werden auf der Bundesstraße 27 Ampeln und auf der Autobahn 8 flexible Signale eingeweiht – in der Hoffnung auf ein besseres Vorankommen der Fahrzeugkolonnen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Staus mit einer Länge von knapp 15 000 Kilometern mussten die Autofahrer in der Region Stuttgart im vergangenen Jahr erdulden – bei vielen lagen die Nerven blank, bis sie endlich ihre Arbeitsstelle erreichten. 15 000 Kilometer Autoschlange, das entspricht der Straßenstrecke vom Nordkap bis Nairobi, Stoßstange an Stoßstange. „Es ist tatsächlich eine Sisyphos-Arbeit, den Verkehr flüssiger machen zu wollen“, sagt Thomas Bucher von der Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg in Feuerbach deshalb unumwunden: „Letztlich können wir die Probleme nicht lösen – ein Unfall oder eine Baustelle reicht oft, damit der Verkehr zusammenbricht.“

 


Mit neuen Ideen den Stau verkürzen auf einer größeren Karte anzeigen

Die zusätzliche Schwierigkeit ist, dass der Autoverkehr längst astronomische Ausmaße angenommen hat, und wie das Weltall hat auch der Verkehr die Tendenz, sich immer weiter auszudehnen. So hat die Fahrleistung aller in der Region durch- und umherbrausenden Autos und Lastwagen seit 1990 um 23 Prozent zugenommen. Derzeit werden auf den Straßen der Region Stuttgart jährlich 21,4 Milliarden Kilometer abgespult. Eine unglaubliche, aber wahre Zahl – das Sonnensystem hat einen Durchmesser von 15 Milliarden Kilometer.

Viel Geld investiert

Dennoch bemühen sich Politik und Verkehrsbehörden, für Entlastung zu sorgen. Vor allem in neue Signaltechniken wird auch in der Region viel Geld investiert – dazu gleich mehr. Der ADAC unterstützt diese Bemühungen, sie gehen ihm aber nicht weit genug. ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker forderte bei der Vorstellung der letzten Staubilanz erneut: „Der Ausbau der besonders stauanfälligen Autobahnabschnitte muss endlich mit Nachdruck angegangen werden“, sagte er. Becker geißelte vor allem, dass die vordringlichen Maßnahmen des Bundesbedarfsplans 2001 bis 2015 heute erst zu 35 Prozent umgesetzt sind. In der Region hat laut ADAC der Ausbau der A 8 zwischen Pforzheim und Ulm höchste Priorität. – Diese folgenden Maßnahmen laufen derzeit in der Region Stuttgart.

Flexible Verkehrsanzeigen

Morgen, Donnerstag, wird sie auf der A 8 zwischen Leonberg und Wendlingen in Betrieb genommen, die „Verkehrsbeeinflussungsanlage“, wie die wechselnden Verkehrsanzeigen im Behördendeutsch heißen. Für rund 21 Millionen Euro sind 51 Schilderbrücken gebaut worden. Sie können, wenn beispielsweise der Verkehr immer zähflüssiger wird, ein Tempolimit anzeigen; sie können aber auch auf Baustellen oder Glätte hinweisen, und sie können teils Alternativstrecken anzeigen.

Laut der Straßenverkehrszentrale könne die Leistung des Streckennetzes damit um 15 Prozent erhöht werden, und wenn Umleitungen möglich sind, könnten auch Staus um bis zu 20 Prozent reduziert werden. Bisher existieren solche Anlagen schon auf der A 8 zwischen Hohenstadt und Ulm, auf der B 27 zwischen Degerloch und Aichtal sowie auf der B 14/29 zwischen Wangen und Waiblingen. Leider gibt es keine Auswertungen, wie gut die Wirkung bei Staus tatsächlich ist. Auf der A 81 zwischen Leonberg und Mundelsheim wird an den Signalbrücken gebaut. Bucher hofft, dass sie im Sommer 2013 fertig werden.

Ärger über Ampeln

Stauampeln auf der B 27

Viel Aufmerksamkeit – und Ärger – haben die drei Ampeln an den B 27-Auffahrten Bonlanden, Plattenhardt und Stetten schon im Vorfeld ausgelöst. Bei zäh fließendem Verkehr auf der Bundesstraße sollen diese Ampeln höchstens drei Autos auf einmal auf die B 27 lassen; damit soll der endgültige Stillstand verhindert werden. Bei freier Verkehrslage und bei Stau bleiben die Ampeln hingegen ausgeschaltet.

Anfang August gehen die Ampeln, deren Installation eine halbe Million Euro gekostet hat, in Betrieb. Zumindest beim Filderstädter Gemeinderat ist die Begeisterung gering: Dort wird befürchtet, dass diese „Zuflussregelungsanlagen“ – auch ein schönes Wort – den Stau nur in die Ortschaften entlang der B 27 hinein verlagern. Erfahrungen in der Region Stuttgart gibt es mit diesen Anlagen noch nicht. Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen haben die für sie zweifelhafte Ehre der Premiere.

Mehr Sicherheit, weniger Lärm

Ausbau der Autobahnen

Drei Baustellen auf Stuttgarts Autobahnen verursachen derzeit fast täglich Stau; später haben sie zumindest teilweise die genau umgekehrte Aufgabe. Auf der A 81 zwischen Böblingen-Hulb und Gärtringen wird noch bis März 2013 daran gebaut, die Autobahn sechsspurig zu machen. Die Kosten für diese sieben Kilometer lange Strecke belaufen sich auf 44 Millionen Euro. Der Einsatz der Signalbrücken ist im Vergleich dazu also günstiger. Daneben wird die A 8 zwischen Gruibingen und Mühlhausen auf 3,5 Kilometern ebenfalls auch sechs Spuren verbreitet; teilweise wandert die Autobahn auch in den Tunnel. Nicht der Stauvermeidung dient die Baustelle auf der A 8 zwischen Leonberg und Möhringen. Dort wird für 15,5 Millionen Euro der Asphalt erneut. Das soll die Sicherheit erhöhen und den Lärmpegel senken.

Freigabe der Standspur

Es ist eine bestechende Idee: Wenn man bei Stau die Standspur frei gibt, erhöht sich die Kapazität einer Autobahn plötzlich um 20 Prozent. Leider ist es nicht so einfach, diese Idee in die Wirklichkeit umzusetzen. Beispielsweise muss über Kameras geprüft sein, dass kein Auto, das eine Panne hat, die Standspur blockiert. Es könnte sonst zu verheerenden Unfällen kommen.

Flexible Anlagen nötig

Grundlegende Voraussetzung ist jedenfalls, dass die Strecke flexible Signalanlagen besitzt; sonst kann den Autofahrern gar nicht mitgeteilt werden, dass die Standspur offen ist. Auf der A 8 zwischen Vaihingen und dem Echterdinger Ei gibt es diese Anlagen nun – nach einer gewissen Vorlaufzeit soll die Standspur von Frühjahr 2013 in das Staumanagement einbezogen werden. Auf der nördlichen A 81 wird es hingegen trotz der neuen Signalbrücken noch einige Jahre dauern, weil zunächst die Ausfahrt Ludwigsburg-Süd umgebaut werden muss.

Bessere Stauinformation

Neben diesen baulichen Veränderungen wird versucht, über personelle und virtuelle Eingriffe Staus abzumildern. Eine gute Logistik bei Baustellen gehört dazu. Weiter wird in der Region Stuttgart derzeit ein Bergemanager gesucht, damit die Straßen nach Unfällen schneller wieder geräumt sind. Und auch das Internet wird natürlich genutzt. Seit wenigen Monaten bieten die Seiten der Straßenverkehrszentrale alle Informationen, die der Autofahrer vor und während der Fahrt benötigt. Er kann die aktuelle Verkehrslage einsehen, er kann sich über Baustellen informieren, und er kann über 120 Webkameras entlang der Autobahnen und Bundesstraßen in der Region kontrollieren, wie gut es gerade an bestimmten Abschnitten läuft.

Die Träume des Verkehrsministers Winfried Hermann gehen noch weiter. Er kann sich vorstellen, Stauvorhersagen individueller zu machen und Fahrgemeinschaften übers Internet besser zu organisieren. Und warum sollten bei Stau spezielle Shuttlebusse nicht heute schon den Standstreifen benutzen dürfen? Man kann den grünen Minister verstehen. Denn es ist tatsächlich viel Fantasie notwendig, um die Staus in der Region in den Griff zu bekommen. Ganz wird das vorerst sowieso nicht gelingen.