Die Grundlagen-Studie des Landes zu städtischen Seilbahnen bleibt vage. Die Grünen im Rathaus wollen eine Projekt-Rangfolge für die vier in Stuttgart diskutierten Strecken.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Noch ist vollkommen unklar, ob jemals eine Luftseilbahn ihren Teil dazu beiträgt, die Stauprobleme in Stuttgart zu mildern. Deutlich geworden ist hingegen, dass der Weg zu einem öffentlichen Nahverkehrsmittel durch die Luft ein langer sein wird. Das ist eine der wenigen konkreten Ergebnisse einer vom Land beim Karlsruher Institut für Technologie in Auftrag gegebenen und am Montag im Rathaus präsentierten Untersuchung. „Der Erkenntnisgewinn bei der Lektüre ist gering. Wir befinden uns sehr im wachsweichen Raum“, fasste SPD-Stadtrat Hans H. Pfeifer seine Leseeindrücke zusammen.

 

In der Präsentation der Wissenschaftler Max Reichenbach und Maike Puhe, die für die Untersuchung verantwortlich zeichnen, wurde klar, dass vor allem der Mangel an Erfahrungswerten beim Einsatz urbaner Luftseilbahnen Prognosen hinsichtlich der Planungsabläufe schwer macht. „Seilbahnen, wie sie heute in Koblenz und Berlin fahren, sind für einen Anlass, nämlich Gartenschauen, gebaut worden“, so Reichenbach. Sollten weitere Projekte auf hohe Akzeptanz stoßen, so dürften sie diesen Exotenstatus nicht haben. „Wichtig ist eine Integration ins bestehende Tarifsystem, ein Sonderticket macht die Nutzung nicht interessant“, erklärte Reichenbach. Er wies zudem darauf hin, dass eine Seilbahn notwendigerweise ins bestehende Netz von öffentlichen Verkehrsmitteln eingebunden sein müsse. Diese Erkenntnisse haben die Wissenschaftler auch in Gesprächen mit zufällig ausgewählten Bürgern gewonnen. In Stuttgart war diese Gruppe laut Puhe zwischen zehn und 15 Personen groß.

Wissenschaftler gehen von „anspruchsvoller Bürgerbeteiligung“ aus

Da die Gondeln zwar durch die Lüfte, aber eben auch über private Grundstücke schweben, geht Reichenbach von einer „anspruchsvollen Bürgerbeteiligung“ aus. Betroffenheiten seien bei diesem im städtischen Raum neuen Verkehrsmittel nicht zu vermeiden. Deswegen müsse man mit mehrere Varianten für dieselbe Verbindung ins Rennen gehen. „Urbane Seilbahnen haben echtes Potenzial, sind aber kein Allheilmittel“, so Reichenbach. Wie viel sie zur Heilung des Verkehrsinfarkts in der Stadt beitragen können, soll nun in einer Machbarkeitsstudie erörtert werden. Am Dienstag soll der Technikausschuss des Gemeinderates einen entsprechenden Auftrag erteilen. Die Aufgabenstellung umriss Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne): Geprüft werden sollen zum einem streckenunabhängige Aspekte, wie etwa ein Notfallplan oder die Frage, wie mit wartungsbedingten Stillständen des Systems umgegangen werden soll. „Wir lassen aber auch konkrete Trassierungen untersuchen, außerdem mögliche Gestaltungen der Stationen und gehen der Frage nach, wo die Stützen stehen könnten“, erklärt der Baubürgermeister. Damit erläutert er, wie konkret die städtische Untersuchung im Vergleich zu der unter Landesregie ausfallen soll. Auch die Frage nach Investitions- und Betriebskosten soll die Studie erhellen.

Grüne fordern eine Priorisierung der verschiedenen Vorhaben

Bewegung zeichnet sich auch in der zuletzt umstrittenen Frage ab, welche Routen überhaupt unter die Lupe genommen werden. Grünen-Fraktionsvorsitzende Anna Deparnay-Grunenberg hatte sich überrascht gezeigt, dass neben der von ihrer Partei ins Spiel gebrachten Verbindung vom ehemaligen IBM-Hauptquartier an der A 8 bei Vaihingen über den Regionalbahnhof und durch das Industriegebiet weiter Richtung Manfred-Rommel-Flughafen zusätzliche Trassen untersucht werden sollen: Degerloch-Plieningen, Pragsattel-Ostendplatz und Daimler-Hauptsitz-Innenstadt. Die Grünen-Chefin zeigt sich zuversichtlich, ihre Stadtratskollegen zu einer Priorisierung bewegen zu können. Demnach soll die Vaihingen-Flughafen-Verbindung „prioritär untersucht“ werden, heißt es in einem ebenfalls am Dienstag zur Abstimmung gestellten Antrag. Pragsattel-Ostendplatz solle „aufgrund der potenziell hohen Fahrgastnachfrage „ebenfalls zeitnah und intensiv geprüft“ werden. Alles andere könne nachrangig untersucht werden. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ordnete den sich abzeichnenden Wettbewerb einzelner Trassen ein. „Wir sind nun in einer Phase der sprießenden Ideen. Die Machbarkeitsstudien werden zeigen, was davon übrig bleibt.“