Um den Lärm zu reduzieren, will der Gemeinderat jetzt auf allen Durchgangsstraßen Tempo 30 beantragen. Entscheiden müssen das aber das Landratsamt und das Regierungspräsidium.

Weil der Stadt - Die Stadtverwaltung wird für die Ortsdurchfahrts-Straßen von Weil der Stadt, Merklingen, Münklingen und Hausen Tempo 30 beantragen. Das hat der Gemeinderat am Dienstagabend mehrheitlich beschlossen. Die Entscheidungen treffen dann das Regierungspräsidium Stuttgart und das Landratsamt, da es sich um Kreis- und Landstraßen handelt.

 

„Wir als Stadt dürfen nämlich kein einziges Schild anschrauben“, erklärt der Beigeordnete Jürgen Katz. Er und der Bürgermeister sind aber optimistisch, dass es klappt. „Wir sehen da gar keinen Ermessensspielraum“, erklärt Christian Walter. „Wir sollten das auch nicht zu einer individuellen Glaubensfrage hochstilisieren.“

„Sie müssen etwas tun“

Grundlage ist nämlich der Lärmaktionsplan, aus dem sich ergibt, dass es in Weil der Stadt zu laut ist. Ein weiteres Gutachten hat zudem errechnet, dass an den Häuserfronten vieler Anwohner der Ortsdurchfahrten der Lärm die erlaubte Lautstärke von 70 Dezibel tagsüber und 60 Dezibel nachts übertrifft. „Es besteht Handlungsbedarf“, stellt der Verkehrsplaner Hendrik Arnold vom Ludwigsburger Büro Kölz klar. „Sie müssen etwas tun“, trägt Arnold den Weiler Gemeinderäten auf.

Der Planer hatte zuvor untersucht, ob sich die Verlangsamung des Verkehrs in allen Ortsteilen auf den Busverkehr auswirkt. „Wir haben alle denkbaren Buslinien durchgespielt“, sagt Arnold. Höchstens 30 Sekunden später kämen die Busse künftig an. „Das sind keine nennenswerten Zeitverluste“, findet der Experte. „Auch   der   wichtige   Anschluss   an   die S-Bahn im Bahnhof Weil der Stadt ist gewährleistet.“

Gemeinderat ist uneins

Bei den Gemeinderäten war dieser tief greifendste Eingriff in den Weil der Städter Verkehr seit vielen Jahren umstritten. „Ich tue mich schwer“, sagt Michael Borger (Freie Wähler). „Durchfahrtsstraßen wurden gebaut, um schnell von A nach B zu kommen, deshalb tut mir ein solcher Schritt weh.“ Sein Fraktionskollege Jürgen Widmann schlägt erst mal einen Probebetrieb an zwei Straßen vor. Im Wohngebiet und vor Kindergärten sei Tempo 30 gerechtfertigt, findet auch der CDU-Fraktionschef Martin Buhl: „Eine Tempo-30-Zone durchgehend von Schafhausen bis Hausen – das kann nicht im Sinne der Straßenbauer sein.“

AfD-Stadtrat Christian Pfaundler stellt infrage, ob die Temporeduzierung überhaupt sinnvoll ist. „Gibt es denn einen Nachweis, dass das den Lärm reduziert“, will er wissen. „In der Grabenstraße kann man doch heute schon oft nur zehn Stundenkilometer fahren.“ Für die Temporeduzierung sprechen sich vor allem die Grünen aus. „Lärm ist definitiv gesundheitsschädlich“, sagt deren Fraktionsvorsitzender Alfred Kappler. „Und der Verkehr hat in den vergangenen Jahren enorm zugenommen.“

Anwohner könnten Schutz einklagen

Ob für oder gegen Tempo 30 – der Bürgermeister weist in der Sitzung wiederholt darauf hin, dass er kein Ermessen sieht. „Das Ingenieurbüro hat das auf einer Datengrundlage des Landes berechnet“, sagt Christian Walter. „Meine Bitte ist: Akzeptieren Sie die wissenschaftlichen Fakten.“ 

FDP-Stadtrat Hans Dieter Scheerer, im Hauptberuf Rechtsanwalt, ergänzt, dass die Anwohner sich den Lärmschutz eventuell einklagen könnten. „Die Verwaltung ist verpflichtet, tätig zu werden“, sagt Scherer. Die Anwohner hätten einen Anspruch auf Schutz. „Wir sind da nicht so frei, wie wir uns das wünschen würden.“

Am Ende stimmt die Mehrheit der Räte dem Antrag auf Temporeduzierung zu. Allerdings – gegen den Antrag des Bürgermeisters – zunächst nur als Probebetrieb.

Info: Wo soll das Tempo überall sinken im Stadtgebiet?

In Weil der Stadt ist die Temporeduzierung beantragt für die Grabenstraße (vom Heilig-Kreuz-Knoten bis zum Abzweig Schafhausener Straße), für die Paul-Reusch-Straße und für die Merklinger Straße. Nachts soll es die Temporeduzierung in der Malmsheimer und der Leonberger Straße geben, und zwar ab dem Abzweig Paul-Reusch-Straße bis zum Ortsausgang Richtung Leonberg. Nachts soll ebenfalls in der Max-Caspar-Straße das Tempo sinken, vom Ort bis hoch zum Abzweig Emil-Haag-Straße.


In Merklingen ist die Temporeduzierung beantragt für die Hauptstraße zwischen dem Fußgängerüberweg Karlstraße und der Ortsmitte mit Weiterführung in der Hausener Straße bis zum Gasthof Traube, eventuell auch weiter bis zum Merklinger Ortsausgang. Auch in der Mittleren Straße soll das Tempo sinken. 


In Münklingen ist die Temporeduzierung beantragt für die Böblinger Straße und die Liebenzeller Straße, zwischen der Begonienstraße und dem Alten Weg. 


In Hausen ist die Temporeduzierung beantragt für die Würmtalstraße ab dem Abzweig Lehninger Straße bis zum Hausener Ortsausgang und für die Heimsheimer Straße von der Ortsmitte bis zum Abzweig der kleinen Straße Netzwiesen.