Die SPD-Fraktion fordert weitere Radaranlagen an Unfallstraßen in Stuttgart. Die Stadt regt eine mobile Rotlichtkontrolle an.

Stuttgart - Das Problem ist hinlänglich bekannt, aber längst noch nicht gelöst. Sobald es wärmer wird und die vielen Straßencafés, Bars und Kneipen zu beiden Seiten der Theodor-Heuss-Straße bevölkert werden, schlägt auch die Stunde der meist jungen Showcruiser, die in aufgemotzten Autos ihre Runden auf dem Cityboulevard drehen. Das Tempolimit, erlaubt sind 50Stundenkilometer, wird dabei vielfach ignoriert. Und auch rote Ampeln sind nicht für jeden ein Grund, die rasante Fahrt zu unterbrechen.

 

Schon mehrfach hat die "Rennstrecke" in den vergangenen Jahren auf der Tagesordnung des Stuttgarter Gemeinderats gestanden, nun hat die SPD-Fraktion erneut einen Antrag gestellt, um auf die "gefährliche Situation hinzuweisen" und die "Auswüchse einzudämmen". Die Klagen über unliebsamen Begleiterscheinungen wie illegale Straßenrennen seien derzeit wieder massiv, sagt der stellvertretende Fraktionschef und Citymanager Hans Pfeifer. Das lebendige Stadtquartier an der Theodor-Heuss-Straße dürfe nicht durch aufgedrehte und unverantwortliche Autofahrer gefährdet werden. "So kann es einfach nicht länger weitergehen", betont Pfeifer: "Wir können nicht einfach zuschauen und so lange warten, bis etwas passiert."

Sieben Fahrverbote an einem Abend

Wann immer die Polizei an den belebten Wochenenden den Verkehr auf der Theodor-Heuss-Straße und anderen beliebten Innenstadtrouten kontrolliert, werden dabei überproportional viele Tempoverstöße festgestellt und Fahrverbote verhängt. Bei einer Kontrolle im Juni habe die Polizei an einem Abend sieben Fahrverbote ausgesprochen und vier Autos aus dem Verkehr gezogen, die technisch massiv verändert worden waren, sagt Polizeisprecher Olef Petersen. An einem Abend im Juli seien bei fast hundert Tempoverstößen insgesamt 14 Fahrverbote zusammengekommen.

Um die Verkehrssünder im Wiederholungsfall härter bestrafen zu können, gibt es unter anderem einen engen Austausch zwischen Bußgeldstelle, Zulassungsstelle und Straßenverkehrsbehörde. Vollständig zu lösen sei das Problem aber kaum, sagt Bernd Eichenauer. Der Leiter der Verkehrsbehörde hält ohnehin nicht an erster Stelle die Raserei für das Problem auf der Theo, sondern den Lärm. Ziel der betreffenden Fahrer sei nicht, möglichst schnell am Publikum vorbeizufahren. "Sie wollen ja gesehen werden. Es hört sich nur so schnell an, wenn die Reifen quietschen", sagt er. Daher sei es auch nur bedingt sinnvoll, Raser mit kurzen Ampelschaltungen auszubremsen. "Dann können sie fünf Mal einen Kavaliersstart hinlegen", so Eichenauer, der stattdessen gerade plant, die Wendemöglichkeiten entlang der Straße temporär mit Pollern zu sperren. Dort komme es immer wieder zu waghalsigen Fahrmanövern.

In Reutlingen gibt es drei mal so viele Anlagen

Auch eine stationäre Radaranlage auf der Theodor-Heuss-Straße hält Eichenauer aus diesem Grund für nur wenig zielführend, wie er betont. Damit zielt der Leiter der Verkehrsbehörde auch auf einen zweiten Antrag der SPD-Fraktion, die darin die Stadtverwaltung aufgefordert hat, noch im September über Unfallschwerpunkte in der Stadt zu berichten, "die durch eine stationäre Radaranlage entschärft werden müssten". An anderer Stelle, etwa der Cannstatter Straße, habe man gute Erfahrungen mit der stationären Überwachung gemacht, erklärt Hans Pfeifer. "Warum nicht auch auf der Theodor-Heuss-Straße." Stuttgart sei im Vergleich zu anderen Städten ohnehin sehr zurückhaltend mit stationären Anlagen ausgerüstet, so Pfeifer. Im sechsmal kleineren Reutlingen etwa würden dreimal so viele Anlagen wie in der Landeshauptstadt stehen.

Die Stadt könne problemlos fünf Standorte für weitere Anlagen nennen, betont Bernd Eichenauer, der den SPD-Antrag derzeit neben etwa 15 weiteren zum Thema Verkehr auf seinem Tisch liegen hat. Für wesentlich dringlicher hält er aber die Anschaffung von mobilen Ampelblitzern, die derzeit auf Stuttgarts Straßen noch gar nicht im Einsatz sind. Es sei seit geraumer Zeit zu beobachten, so Eichenauer, dass Rotlichtverstöße allenfalls noch als Kavaliersdelikt gesehen würden. "Die Verkehrsmoral ist in diesem Punkt massiv gesunken." In der Stadt gebe es zahlreiche problematische Kreuzungen, Hauptverkehrsstraßen und Tunneleinfahrten, an denen eine solche Überwachung sinnvoll und dringend notwendig sei, so Eichenauer. Oft werde noch bei Dunkelrot in die Straße gedrückt, wenn der Querverkehr schon rollt. Diese rücksichtslose und hochgefährliche Verhaltensweise habe sich flächendeckend eingebürgert, sagt Eichenauer: "Schon mit einem Gerät, dass sich jeden Tag an einer anderen Ampel einsetzen lässt, können wir einen großen Effekt erzielen."

Mehr als 180.000 Temposünder im vergangenen Jahr

Überwachung: Insgesamt gibt es momentan 28 stationäre Radaranlagen im Stadtgebiet, von denen allerdings nur jeweils 18 im Wechsel mit Kameras bestückt sind. Zuletzt aufgestellt worden sind die beiden modernen Lasersäulen auf der Cannstatter Straße zwischen Neckartor und Schwanentunnel, die in beiden Richtungen alle drei Fahrspuren überwachen.

Verstöße: Von September 2010 bis Jahresende wurden in der Cannstatter Straße knapp 40.000 Fahrzeuge geblitzt, die Zahl der Temposünder lag dort mit 0,8 Prozent um den Faktor vier höher als an den übrigen Messstellen. Insgesamt sind 2010 allein an allen stationären Radarkontrollen mehr als 160.000 Raser erfasst worden. Die Polizei hat mit mobilen Messfahrzeugen und Laserpistolen weitere 21.055 Tempoverstöße festgestellt und 855 Fahrverbote verhängt.

Unfallschwerpunkte: Zu den Unfallschwerpunkten zählen das Dreieck B10 und B14 in Wangen und die Gaisburger Brücke. Häufig gekracht hat es im Jahr 2010 zudem auf der Heilbronner Straße.