Das Land, die Region, Landkreise und elf Städte wollen, dass der Verkehr rund um Stuttgart flüssiger läuft. Abhilfe schaffen soll die neue Verkehrszentrale am Stuttgarter Pragsattel – dort laufen Livedaten zum Verkehrsgeschehen zusammen.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Je höher die Siedlungsdichte, desto größer die Gefahr, dass sich Staus bilden. Das zeigt sich besonders in der Region Stuttgart, die zu den am dichtesten besiedelten Gebieten in Europa gehört. Auf 6500 Quadratkilometern leben 2,8 Millionen Menschen. Wenn diese zu ihrem Arbeitsplatz oder abends nach Hause pendeln und dabei auf den Zuliefer- und auf den Fernverkehr treffen, sind Staus geradezu unvermeidlich. Dieses Problem will nun der Verband Region Stuttgart (VRS) gemeinsam mit dem Land, den Kreisen Esslingen, Böblingen, Ludwigsburg und Rems-Murr sowie elf großen Städten und Kommunen aus der Region in den Griff bekommen. Denn, so formuliert es der VRS-Regionaldirektor Alexander Lahl: „Der Stau kennt keine Gemarkungsgrenze und keine Zuständigkeiten. Unser Ziel muss es sein, den Verkehr in der gesamten Region Stuttgart flüssiger zu machen.“

 

Zwar hat sich die Situation während der Coronazeit und dem daraus resultierenden Trend zum Homeoffice ein wenig entschärft. Dennoch bestimmen lange Autoschlangen vor allem im morgendlichen Berufsverkehr fast täglich das Bild auf den Straßen in und um Stuttgart – und es ist abzusehen, dass sich die Situation weiter verschärfen wird.

„Staus kennen keine Gemarkungsgrenzen“

Am Montag haben Lahl, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Vertreter der beteiligten Kreise und Kommunen deshalb die neue Zentrale für Regionales Verkehrsmanagement vorgestellt und die dafür notwendigen Verträge unterzeichnet. Im Mittelpunkt steht die sogenannte Ringzentrale, die ihren Standort an der Heilbronner Straße in der Nähe des Pragsattels in Stuttgart gefunden hat.

Im Servicecenter laufen alle Daten zusammen

Die Ringzentrale ist als Kernstück des Projekts das Servicecenter, in dem alle notwendigen Daten zusammenlaufen. Von dort aus sollen dann auch die notwendigen Änderungen, etwa bei Ampelschaltungen, zeitnah in die Wege geleitet werden.

Aktuell werden in der Ringzentrale gerade die Verkehrsrechner aller beteiligten Städte und Kreise zusammenführt. Diese liefern Livedaten zum Verkehrsgeschehen, zu Baustellen, Sperrungen und Ampeln, aber auch über die Anzahl freier Park-and-Ride-Parkplätze.

Experten können zeitnah und effektiv auf Staus reagieren

Auf dieser Grundlage entsteht ein Gesamtüberblick über die Verkehrslage in der Region Stuttgart, der den Experten die Möglichkeit geben soll, zeitnah und effektiv auf gerade entstehende Staus zu reagieren. In einem späteren Schritt, so hat es der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann angekündigt, könne der Verkehrsfluss von dort aus auch mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erhöht werden.

Soll dies gelingen, müssen zunächst die Maßnahmen erarbeitet und gegeneinander abgewogen werden. Schließlich soll vermieden werden, dass einzelne Straßen ganz besonders entlastet werden, während sich zur gleichen Zeit dadurch an anderer Stelle größere Staus bilden. Um das auszuloten,werden sich monatlich Verkehrsexperten mit Vertretern des Landes, der Region, der Kreise, Städte und Kommunen treffen, um in Workshops nach Lösungen für die regionalen Verkehrsprobleme zu suchen. Rund 200 relevante Verkehrsprobleme haben die Experten bereits jetzt identifiziert. Dazu gehören Straßen, die besonders häufig überlastet sind, oder Busse, die immer wieder im Stau stecken bleiben, aber auch generelle Unfallschwerpunkte in der Region. Ziel des Expertentreffens ist es, gemeinsam Strategien zu entwickeln, um die Probleme besser in den Griff zu bekommen.

Überlastete Straßen, im Stau stecken gebliebene Busse

Das Modellvorhaben bezieht darüber hinaus auch bereits bestehende Kooperationen mit ein, wie jene zwischen der ebenfalls in der Heilbronner Straße beheimateten Integrierten Verkehrsleitzentrale Stuttgart (IVLZ) und der Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg (SVZ). Beteiligt werden zudem auch Verkehrsunternehmen, Straßenmeistereien und die Polizei.

Ampelschaltungen als Lösungen – mit Hindernissen

Eine wichtige Stellschraube zur Verflüssigung des Verkehrs, da ist sich Winfried Hermann sicher, sind die Ampelschaltungen. Da sieht er jedoch noch deutlichen Spielraum nach oben: „Leider haben wir noch viel zu viele dumme Ampeln, die also nichts weiter können als auf Grün, Gelb oder Rot zu schalten.“ Ziel müsse es sein, Ampeln bedarfsorientiert steuern zu können und somit den Einstieg in die digitale Verkehrsführung zu schaffen. Der Minister sieht das durchaus realistisch: „Gemessen an den Möglichkeiten, die sich in Zukunft bieten werden, stehen wir noch am Anfang.“

Das gilt sicher auch für die Nutzbarkeit der demnächst zur Verfügung stehenden Zahlen. Denn noch ist eine individuelle Streckenplanung, die allen Verkehrsteilnehmern einen staufreien oder zumindest stauarmen Weg zum Ziel aufzeigt, Zukunftsmusik.

Ein Meilenstein für die Verkehrsinfrastruktur

Ganz ungeachtet solcher Probleme hält Winfried Hermann die Ringzentrale für „ein echtes Pionierprojekt und einen Meilenstein für die Verkehrsinfrastruktur“. Hermann: „Schließlich geht es auch darum, die verkehrsbedingten Belastungen für die Menschen, die Umwelt und das Klima deutlich zu reduzieren.“ Die 7,5 Millionen Euro, die das Projekt koste, seien deshalb sehr gut investiert. Die Europäische Union steuere rund 60 Prozent des Betrags bei.