Im Sportgebiet Waldau in Stuttgart-Degerloch ist zu Stoßzeiten der Teufel los. Anwohner berichten von gefährlichen Situationen, es sei ein Verkehrschaos. Von der Stadt fühlen sie sich im Stich gelassen. Zu Recht?

Degerloch - Schmale, schwer einsehbare Straßen, viele Autos, Fahrräder, Schüler – auf der Waldau geht es vor allem morgens ganz schön wild durcheinander. Der mitunter chaotische Verkehr in und rund ums Königsträßle ist seit Jahren ein Problem. Angesichts der Präsentation des geplanten Orientierungssystems für das Sportgebiet sind Mitglieder des Bürgervereins Degerloch-Ost in Gruppenstärke in die jüngste Sitzung des Bezirksbeirats gekommen, um hinter ihr Anliegen einmal mehr ein dickes Ausrufezeichen zu setzen.

 

Denn der tägliche Verkehr geht den Menschen im angrenzenden Wohngebiet nicht nur auf die Nerven, sondern auch an die Nieren. Warum, erklärt Eva Rauchenecker, sie wohnt an de Löwenstraße und ist viel zu Fuß unterwegs. „In den vergangenen Jahren hat sich die Situation deutlich verschlechtert“, sagt sie. Bei einer kürzlich erfolgten Verkehrszählung der Stadt hätten Mitarbeiter eigentlich die Radfahrer zählen sollen. „Die waren entsetzt, wie viele Autos dort vorbeigefahren sind“, erzählt die Anwohnerin.

Viele kürzen aus Bequemlichkeit ab

Schon mehrmals sei sie von Autos sogar touchiert worden. Und mit dem Stinkefinger habe man sie bedroht. Oft habe sie außerdem Situationen beobachtet, bei denen Autos trotz geltender Tempo-30-Zone nur knapp an Schülern vorbeigeschrammt seien. „Ein Wunder, dass es nicht zu etwas Schlimmerem gekommen ist“, so Rauchenecker. Christina Franck, die Vorsitzende des Bürgervereins, wünscht sich vor allem, dass der Schleichverkehr zurückgeht. Viele Leute kürzten aus Bequemlichkeit über die schmale Löwenstraße ab, um Richtung Reutlinger Straße zu kommen, statt auf die Jahnstraße zu fahren.

„Eine Mischung aus Einbahnstraßen und Spielstraßen könnte helfen, da gibt es Beispiele aus anderen Städten“, sagt die Anwohnerin. Man müsse außerdem versuchen, das Sportgebiet stärker von der Ruhbank und der Mittlere Filderstraße her zu erschließen, um dem Besucherstrom auf der Waldau Herr zu werden, denn der produziere ebenfalls viel Verkehr. „Dort gibt es gute Zufahrten, die Straßen sind riesig im Vergleich zu denen im Wohngebiet“, argumentiert Christina Franck. Sie betont dabei, überhaupt nichts gegen die ansässigen Sportvereine zu haben und auf eine Lösung hofft, mit der alle gut leben können.

Appelle sollen bekräftigt werden

Da die in der Planungswerkstatt für das Degerlocher Sportgebiet Waldau angeregten Ideen langsam konkrete Formen annehmen – siehe das kürzlich vorgestellte Orientierungssystem – sehen Christina Franck und ihre Mitstreiter nun noch einmal einen guten Zeitpunkt, ihre seit Jahren geäußerten Appelle zu bekräftigen. Ohnehin sei die Planungswerkstatt nur bedingt eine Erfolgsgeschichte. Vor allem das Thema Verkehr habe zu wenig Berücksichtigung gefunden, findet sie.

Nicht alle teilen diese Ansicht. Die Stadt kann auf Anfrage unserer Zeitung durchaus auf konkrete Vorhaben verweisen, die auf Anregungen aus der Planungswerkstatt fußen und die die Situation entschärfen könnten. Ein entsprechendes Verkehrskonzept für das Gebiet habe der Ausschuss für Umwelt und Technik im April 2016 beschlossen, sagt der Stadtsprecher Martin Thronberens.

So reagiert die Stadt auf die Vorhaltungen

Konkret beinhalte es für die Zeit nach Fertigstellung der neuen Sporthalle eine Tempo-20-Zone für das ganze Gebiet, die Umgestaltung des Keßlerweges als Mischverkehrsfläche mit Tempo 10, die Umgestaltung des Knotenpunktes Georgiiweg an die Mittlere Filderstraße als Vollanschluss – womit eine der Hauptforderungen des Bürgervereins erfüllt wäre – sowie die Schaffung eines verkehrsarmen Bereichs rund um die neue Sporthalle, der nur für Fußgänger und Radfahrer freigegeben sein soll. Die erforderlichen Finanzmittel für die Umgestaltungen am Georgiiweg, an der Mittleren Filderstraße und am Keßlerweg würden von der Verwaltung für den kommenden Doppelhaushalt 2020/21 angemeldet werden, so Thronberens. Die Entscheidung darüber fällt der Stuttgarter Gemeinderat kurz vor Weihnachten.

Das Orientierungssystem könne auch eine Rolle bei diesem Veränderungsprozess spielen. „Durch die Umsetzung des Orientierungssystems kann die unzureichende und wenig ansprechende Beschilderung an den Zugängen und innerhalb des Gebietes behoben und dadurch der öffentliche Raum aufgewertet werden“, erklärt Martin Thronberens. „Dies kann dazu beitragen, dass sich die Menschen auf der Waldau mehr fußläufig bewegen.“ Ob sich die Anwohner rund um die Löwenstraße darauf verlassen wollen?