Der Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn müsse attraktiver werden, fordert der Verkehrsclub Deutschland. Eine komplette Abkehr vom Auto will er aber nicht.

Stuttgart - Der klimapolitisch erwünschte Umstieg vom eigenen Auto auf Busse und Bahnen lässt in Baden-Württemberg auf sich warten. Zwar steigt die Zahl der Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr landesweit im Zehnjahresvergleich durchschnittlich deutlich an, doch auf das Auto oder das Motorrad wollen die wenigsten verzichten. „Ich bin enttäuscht über die geringen Effekte, ich hätte mir mehr erwartet“, sagt Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclub Deutschland (VCD). „Im Schnitt fahren die Baden-Württemberger zwar sechs Prozent häufiger als vor zehn Jahren mit Bus und Bahn – doch die Nutzung von Auto und Motorrad ist im gleichen Zeitraum um neun Prozent gestiegen.“

 

Es müsse bei Weitem keine absolute Abkehr vom Auto sein, sagt Lieb, aber jeder Einzelne sollte mal darüber nachdenken, ob die eine oder andere Fahrt nicht mit dem Fahrrad, dem Bus oder der Bahn erledigt werden könne. „In Baden-Württemberg muss es einen Politikwechsel geben, hin zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs“, sagt Lieb – ansonsten sei die Verkehrswende nicht realisierbar.

Als einen Hauptgrund für die Dominanz des Individualverkehrs sieht der VCD-Landesvorsitzende eine verfehlte Preisgestaltung. Die Verbraucherpreise seien von 2008 bis 2018 um 13 Prozent gestiegen, die Benzinpreise aber nur um 1,6 Prozent, beklagt Lieb und hält den Benzinpreis im Vergleich für viel zu niedrig angesetzt. Fahrgäste in den Verkehrsverbünden des Landes müssten 2018 für ein Monatsticket durchschnittlich ein Drittel mehr bezahlen als noch vor zehn Jahren. Die Einzelfahrten seien im Schnitt um 30 Prozent teurer geworden. Damit mehr Menschen Bus und Bahn fahren, müssten die Fahrpreise wieder deutlich sinken. Die Steigerung der Ticketpreise sollte sich entlang der Inflationsrate bewegen, fordert Lieb, außer ein Verkehrsverbund habe sein Angebot deutlich ausgeweitet oder verbessert.

VCD lobt Stuttgarts vorbildliche Tarifreform

Als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnete der VCD die vorbildliche Tarifreform in Stuttgart. Damit soll das Fahren mit Bussen und Bahnen im Tarifgebiet vom April 2019 an einfacher und günstiger werden. Das Land unterstützt das Vorhaben in den kommenden sechs Jahren mit bis zu 42 Millionen Euro. Ähnliche Reformen wünscht sich der VCD auch für die anderen Verbünde.

Baden-Württemberg leistet sich 22 verschiedene Verkehrsverbünde unterschiedlichster Größe. Der Stuttgarter VVS hat in den vergangenen zehn Jahren rund 56 Millionen Fahrten jährlich hinzugewonnen, das ist mehr, als drei bis vier der kleineren Verkehrsverbünde zusammen insgesamt an Fahrgästen befördern.

Rund um Freiburg ist die Bevölkerung besonders häufig im öffentlichen Nahverkehr unterwegs: Mit 190 Fahrten pro Einwohner nutzt statistisch betrachtet mehr als jeder zweite Einwohner des Regio-Verkehrsverbund Freiburg (RVF) täglich Bus und Bahn. Im Stuttgarter Verbund sind es mit 150 Fahrten je Einwohner und Jahr schon deutlich weniger. Der Landesschnitt liegt bei 112 Fahrten mit Bus und Bahn pro Einwohner und Jahr. Der Verkehrsclub Deutschland wurde 1986 gegründet und arbeitet nach eigenen Angaben für eine umwelt- und sozialverträgliche Mobilität.