Mit dem neuen Vorstoß gewinnen Befürworter und Gegner der Stadtbahn mehr Zeit, einen Konsens zu finden. Dass nun eine Kampfabstimmung verhindert wird, stößt auf breite Zustimmung im Gemeinderat. Aber wie lange bleibt das so?

Nachrichtenzentrale: Tim Höhn (tim)

Ludwigsburg - Stadtbahn oder Schnellbusse? Seit der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec kürzlich ein neues Verkehrskonzept für den Kreis Ludwigsburg vorgestellt hat, ist aus einer Debatte zunehmend ein Konflikt geworden. Auf der einen Seite: die CDU, die Freien Wähler und damit ziemlich genau die eine Hälfte des Ludwigsburger Gemeinderats – allesamt Gegner der Stadtbahn, flankiert von Spec. Auf der anderen Seite: die SPD, die Grünen und damit ziemlich genau die andere Hälfte – allesamt Anhänger der Stadtbahn, unterstützt von Landrat Rainer Haas. Nicht öffentlich, aber hinter vorgehaltener Hand haben sich die Lager teils heftig beschimpft und gegenseitig vorgeworfen, die Lösung aller Verkehrsprobleme im Kreis zu verschleppen oder gar unmöglich zu machen.

 

Niemand will eine Blockade

Plötzlich betonen alle ihre Kompromissbereitschaft, und dafür reichte ein kurzer Satz. Gesagt hat ihn Spec am Freitag bei einer Infoveranstaltung, und seither gibt es kein Entweder-oder mehr, seither gilt: sowohl als auch. In den kommenden Monaten sollen sowohl für das von der Stadt favorisierte Schnellbussystem als auch für die Stadtbahn zwischen Remseck und Ludwigsburg Förderanträge gestellt werden, um sich alle Optionen offenzuhalten. Die Idee für diese Vorgehensweise stammt aus dem Verkehrsministerium. „Uns war wichtig herauszuarbeiten, dass alle Beteiligten ein gemeinsames Ziel haben, dass es dazu im gleichen Maß vertretbare Lösungsansätze gibt – und dass diese sich nicht gegenseitig blockieren dürfen“, sagt Ministerialdirektor Uwe Lahl.

Tatsächlich scheint die Blockade gelöst zu sein. „Ich halte das für einen guten Weg“, sagt die SPD-Vorsitzende Margit Liepins, die Grünen äußern sich ähnlich. „Wir sind für die Kombilösung aus Eisenbahn und Schnellbussen“, sagt der Freie-Wähler-Chef Reinhardt Weiss. „Aber wenn sich zeigen sollte, dass eine Stadtbahn mehr Sinn hat, sind wir offen für Argumente.“ Die Lager sind sich wieder nähergekommen.

Alle gewinnen Zeit

Dabei waren zuletzt alle auf eine Kampfabstimmung zugesteuert. Grüne und SPD hatten gefordert, dass der Gemeinderat am 3. Mai eine Entscheidung treffen müsse – für oder gegen die Stadtbahn. Die Abstimmung wäre wohl hauchdünn ausgefallen, und für einen Fördergeldantrag ist so etwas hinderlich. Ob der Bund ein Projekt mit einem dreistelligen Millionenbetrag unterstützen würde, das vor Ort derart umstritten ist, ist fraglich. Bei einer so wichtigen Frage gehe es darum, „große Mehrheiten zu finden“, sagt der OB.

In erster Linie gewinnen alle Beteiligten mit dem Kompromiss Zeit, die genutzt werden kann, noch mehr Fakten zu sammeln – um dann zu einem Konsens zu gelangen. Übersichtlicher ist die Situation damit allerdings erst einmal nicht geworden, weil mehr Varianten als je zuvor im Raum stehen. Zunächst einmal muss zügig geklärt werden, welche Stadtbahnvariante zur Förderung beantragt werden soll: Das Hochflursystem mit Hochbahnsteigen, wie es die SSB in der Region einsetzt, oder die Niederflurtechnik mit niedrigem Einstieg. Nach den jüngsten Entwicklungen scheint eine Vorentscheidung gefallen zu sein: SPD und Grüne haben sich klar für Niederflur ausgesprochen, und auch Klaus Herrmann sagt: „Für uns war immer klar: wenn Stadtbahn, dann Niederflur.“ Zu einem Stadtbahnanhänger wird der CDU-Chef mit dieser Aussage noch nicht, aber er zeigt sich offen für alle Richtungen. „Vielleicht gibt es ja in ein paar Jahren ganz neue Ideen“, sagt Herrmann und verweist auf die Untertunnelung mitsamt U-Bahn in Stuttgart. „Wichtig ist, keine Tür zuzuschlagen.“

Neue Verkehrskonzepte für Ludwigsburg und Umgebung from Stadt Ludwigsburg on Vimeo.

Notfalls gibt es eine Kampfabstimmung

Immerhin ein Problem ist wohl aus dem Weg geräumt. Nur mit erheblichem Aufwand wäre es möglich gewesen, die Stadtbahn über den Bahnhof hinaus in Richtung Westen zu verlängern. Das ist nun nicht mehr nötig: Stattdessen soll zwischen Ludwigsburg und Markgröningen ein altes Gleis reaktiviert und von einer Eisenbahn befahren werden. Dies ist elementarer Teil des neuen Konzepts der Stadt Ludwigsburg, das außerdem eine weitere Eisenbahntrasse in Richtung Süden vorsieht, zudem das Schnellbussystem für die Innenstadt und in Richtung Remseck. Das alles, erklärt das Verkehrsministerium, soll nun „parallel zu den Stadtbahnplanungen vorangetrieben werden“.

Irgendwann wird aus dem Sowohl-als-auch also zwangsläufig wieder ein Entweder-oder, denn Busse und Bahnen parallel einzusetzen, ist ausgeschlossen. Entscheidend dürfte der Zeitfaktor werden.

Die Stadt geht davon aus, dass sich die Eisenbahn- und Schnellbuslinien in rund drei Jahren realisieren lassen. Wenn sich abzeichnet, dass das tatsächlich gelingt, haben die Stadtbahnanhänger schlechte Karten. Gelingt das aber nicht, fällt ein wesentliches Argument gegen die Stadtbahn – der lange Realisierungshorizont von mindestens zehn Jahren – weg. „So oder so: Irgendwann werden wir uns entscheiden müssen“, sagt ein Stadtrat. „Notfalls dann eben doch per Kampfabstimmung.“