Die böse Überraschung kommt lange nach dem Urlaub – in Form von horrenden Bußgeldern. Immer mehr Knöllchen aus dem Ausland werden hierzulande eingetrieben. Das wirft Fragen auf.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Goslar - Die böse Überraschung kommt lange nach dem Urlaub: Nur neun Stundenkilometer soll er in Florenz zu schnell gewesen sein, aber dafür habe er rund 55 Euro zu bezahlen, teilen die italienischen Behörden dem verdutzten Autofahrer in einem Brief mit. „Dabei habe ich mich nach mehr als einem halben Jahr gar nicht mehr daran erinnert, und in Deutschland wäre das schon längst verjährt“, klagt der Mann auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar. Was er erzählt, ist beileibe kein Einzelfall, sondern liegt im Trend. „Gerade Italien setzt Verkehrssündern aus anderen Ländern am heftigsten zu“, sagt Volker Lempp vom Auto Club Europa (ACE).

 

Entsprechende Bußgeldbescheide – meist von Inkassounternehmen formuliert – schüchtern laut Lempp erfolgreich ein. „Die meisten Betroffenen zahlen. Schließlich wollen die Leute den nächsten Urlaub wieder unbeschwert verbringen“, sagt der Jurist. Die Polizei könnte nämlich bei einer Wiedereinreise die Strafe noch eintreiben und im Extremfall sogar das Auto beschlagnahmen. „Etwas Vergleichbares ist uns aus den vergangenen Jahren allerdings nicht bekannt“, erzählt Bernd Gstatter. Der Verkehrsjurist des ADAC warnt dennoch, dass die italienischen Behörden noch fünf Jahre lang des Recht hätten, so zuzuschlagen.

Italien macht mit seinem Vorgehen offenbar gut Kasse

Dass Italien derartig vorgeht, ist nach Auffassung des ACE einerseits Berechnung, andererseits aber auch grotesk. Denn das Land ist neben dem EU-Neuling Kroatien, Irland und Griechenland der einzige Staat in der Europäischen Union, der das Rahmenabkommen zur gegenseitigen Vollstreckung von solchen Bußgeldern bisher nicht ratifiziert hat. Das heißt, Rom kann die Bezahlung der Knöllchen bisher in Deutschland gar nicht erzwingen, setzt aber auf die Freiwilligkeit der Ertappten und macht damit offenbar gut Kasse.

Fast alle anderen Länder der Gemeinschaft haben seit rund drei Jahren die Möglichkeit, die deutschen Behörden einzuschalten. Sie machen davon zwar noch zögerlich, aber immer stärker Gebrauch. Während 2011 erst 2869 derartige Anträge die Bundesrepublik erreichten, waren es im vergangenen Jahr 8700 und damit rund dreimal so viel wie zwei Jahre zuvor. Insgesamt 360 000 Euro wurden damit hier eingetrieben – ein noch überschaubarer Betrag für den deutschen Staat. Dennoch spricht der Präsident der Verkehrsgerichtstags von einer „Erfolgsgeschichte“ des EU-Knöllchens. „Die Autofahrer spüren langsam, dass es ernst wird und ihre Verstöße im Ausland nicht folgenlos bleiben“, betont Kay Nehm.

Ein besserer Datentausch der Behörden wird angepeilt

Trotzdem gibt es Probleme, deren Lösung die im Harz tagenden rund 1900 Experten erörtern. So werden zum Beispiel umgekehrt von Deutschland nur relativ wenige Fahrzeuglenker aus dem Ausland so belangt. Nicht mal 3000 derartige Verfahren gab es im vergangenen Jahr. Eine Ursache für die geringe Zahl ist womöglich, dass die Behörden anderer Staaten längst nicht so zuverlässig die Autohalter ermitteln wie die deutschen. „Bei uns funktioniert die Verwaltung eben sehr gut“, sagt Gstatter. In Zukunft solle hier aber ein verbesserter Datenaustausch helfen.

Außerdem beklagen Fachleute in Goslar die mangelnde Transparenz und die eingeschränkte Rechtsstaatlichkeit der Verfahren. In manchen Ländern würden zum Beispiel Bußgelder fast explodieren, wenn jemand Einspruch erhebe, klagt der ACE. Für eine gerichtliche Überprüfung solle der Betroffene dann viel Geld vorstrecken, bleibe aber im Ungewissen, ob er dies je wieder bekomme. Der Deutsche Anwaltverein fordert deshalb, für mehr Aufklärung etwa durch eine zentrale Datenbank zu sorgen. Der ADAC sieht ferner an einer anderen Stelle Handlungsbedarf: Deutschland solle auch das separate Vollstreckungsabkommen mit Österreich kündigen. Während nämlich europaweit erst Bußen ab 70 Euro eingetrieben werden, gilt für die Alpenrepublik die 25-Euro-Grenze. Ob der Verkehrsgerichtstag, dessen Empfehlung der Gesetzgeber oft folgt, den Vorschlag aufgreift, zeigt sich morgen.