Verstopfte Straßen, verspätete S-Bahnen: Der Verkehr in der Region ist ein steter Quell des Ärgernisses. Hinter verschlossener Tür hat der Landesverkehrsminister Winfried Hermann mit allen Beteiligten nach Lösungen gesucht.

Stuttgart - Monatelang hat der Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) mit den Verantwortlichen für den öffentlichen Verkehr in der Region Stuttgart gesprochen – zuerst einzeln mit der Stadt Stuttgart, mit den Kreisen, mit dem Verband Region Stuttgart, später in mehreren gemeinsamen Runden. Er setzt dabei auf eine große Lösung im Konsens. Ob es dazu kommt, ist fraglich. Region und Kreise fahren auf Kollisionskurs. Die StZ dokumentiert die Ideen aus dem bisher nur hinter verschlossenen Türen diskutierten Konzept und verdeutlicht konträre Standpunkte.

 

Analyse der aktuellen Situation

Einig sind sich die Beteiligten darüber, dass der Verkehr geprägt ist von täglichen Staus. Da der Ausbau des Straßen- und Schienennetzes an – vor allem finanzielle – Grenzen stößt, versprechen die verstärkte Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und die Kombination verschiedener Verkehrsmittel Besserung. Zwar gilt die S-Bahn, zumindest wenn sie wieder zuverlässiger verkehrt, als Rückgrat des regionalen Nahverkehrs, aber ihre Kapazitäten sind durch die Engstelle auf der Stammstrecke in der Stuttgarter Innenstadt und ihre sternförmige Ausrichtung auf die Landeshauptstadt begrenzt. Es fehlen schnelle tangentiale Verbindungen. Zudem gehen die regionalen Verkehrsströme weit über die S-Bahn-Äste hinaus – bis Tübingen, Reutlingen, Pforzheim, Heilbronn und Schwäbisch Gmünd. Gerade aus diesem Metropolregionbereich resultiert die hohe Verkehrsbelastung im Zentrum der Region.

Verbesserungen im Bereich S-Bahn

Laut dem Konzept ist es von zentraler Bedeutung, dass die S-Bahnen wieder pünktlicher verkehren, damit zuverlässig die Anschlüsse zu Bussen und anderen Bahnen funktionieren. Die überlastete Stammstrecke in Stuttgart soll mittelfristig mit einer modernen Zugsicherung ausgestattet werden, die eine höhere Frequenz der S-Bahnen ermöglicht. Eine eigens eingerichtete Kommission soll Schwachstellen und den künftigen Ausbaubedarf im S-Bahn-Netz ermitteln. Um den Verkehr aus der Metropolregion und zwischen den Zentren der Region Stuttgart besser zu bewältigen, sind zwei neue Angebote geplant, wofür folgende Namen in der Diskussion sind: Metropol-Express-Bahn und Metrobusse.

Metropol-Express-Bahn

Für das Gebiet der Metropolregion (siehe Grafik oben) will das Land in absehbarer Zeit eine Metropol-Express-Bahn auf der Grundlage der heute verkehrenden Regionalzüge entwickeln. Diese Züge fahren über die Endpunkte der S-Bahn hinaus in Städte wie Heilbronn, Schwäbisch Hall, Geislingen, Tübingen, Horb und Pforzheim. Außerhalb des S-Bahn-Bereichs halten diese Züge oft, im S-Bahn-Netz nur an wenigen Haltestellen. Sie verkehren ganztägig im 30-Minuten-Takt. Diese Züge muss das Land bei der Bahn bestellen – und bezahlen. Eine Vorstufe könnte 2017 verwirklicht sein, der Endausbau erst mit der Fertigstellung von S 21. Ein erster Schritt auf diesem Weg ist der Plan des Landes, auf der Frankenbahn von Stuttgart nach Würzberg einen Stundentakt einzuführen. Metrobusse – S-Bahn auf Rädern Viele notwendige, schnelle Verbindungen im Nahverkehrsnetz können künftig nicht als Schienenstrecken gebaut werden, weil dies zu teuer ist. „Diese Angebotslücken im S-Bahn-Netz sollen durch qualitativ hochwertige Schnellbuslinien geschlossen werden“, heißt es in dem Konzept. Sie könnten zügig und zu deutlich günstigeren Kosten realisiert werden. Die Metrobusse gehen idealerweise über Kreisgrenzen hinweg und haben einen 30-Minuten-Takt. Gedacht ist beispielsweise an eine Verbindung von Leonberg über Stuttgart-Vaihingen zum Flughafen oder von Kirchheim/Teck direkt zum Flughafen. Für diese Linien, die auf Staustrecken eigene Spuren und an Ampeln Vorrang erhalten sollen, soll der Verband Region Stuttgart zuständig werden. Sie sollen aber keine Konkurrenz für innerstädtische und kreisinterne Linien darstellen und nur an wenigen Haltestellen halten. Die Grünen-Landtagsabgeordneten Nikolaus Tschenk und Daniel Renkonen bestätigten jetzt, dass an diesem Konzept gearbeitet werde. „Die kreisübergreifenden Metrobusse sollen künftig die Berufspendler ergänzend zur S-Bahn schneller von und zum Arbeitsplatz bringen“, erklärten sie nach einer Sitzung des Verkehrsausschusses des Landtags. Die Kreise können sich das vorstellen, pochen aber darauf, dass die Linien auf jeden Fall regionale Bedeutung haben müssen. Auch die Region begrüßt dieses Konzept, will die Metrobusse aber auch innerhalb eines Kreises von größeren Städten zur nächsten S-Bahn-Haltestelle verkehren lassen.

Regionales Verkehrsmanagement

Der Verband Region Stuttgart soll neben der planerischen Zuständigkeit (Regionalverkehrsplan) künftig auch die regionalbedeutsame Verkehrsentwicklung und die regionale Verkehrslenkung koordinieren. Zudem soll er dafür zuständig werden, die Schnittstellen von der S-Bahn zu anderen Verkehrsmitteln auszubauen. Dazu zählen Konzeption, Koordination und Finanzierung der Park+Ride- und der Park+Bike-Anlagen an S-Bahn-Haltestellen, die Verknüpfung mit Car-Sharing und Pedelecstationen, die Echtzeit-Information, die Barrierefreiheit, die Koordination der P+M-Plätze (Parken+Mitfahren) und die Mitfahrvermittlung. Darüber sind sich die Beteiligten einig, allerdings sind die finanziellen Folgen noch nicht geklärt.

Standards für Busverkehr

Busse, die Zubringerverkehr für die S-Bahn sind, müssen künftig in der Region gewisse Mindeststandards erfüllen wie den Halb-Stunden-Takt in den Hauptverkehrszeiten und den Stundentakt an Abenden und Sonntagen. Alle Verbindungen, auch die Ruftaxis, werden in den VVS-Tarif integriert – sie fahren also ohne Zuschläge.

Zuständigkeiten

Die Landkreise und die Stadt Stuttgart sollen alleiniger Aufgabenträger für den Busverkehr und die Stadtbahnen werden, sie erhalten zusätzlich die Finanzierungsverantwortung. Die Region verliert hier Einfluss. Sie hat aber wie bisher die Zuständigkeiten für die S-Bahn und neu für die Metrobusse. Ob auch die Nebenbahnen unter das Dach der Region kommen, wie vom Verband gefordert wird, ist umstritten. Die Schönbuchbahn (Kreis Böblingen), die Strohgäubahn (Kreis Ludwigsburg) und die Wieslauftalbahn (Rems-Murr-Kreis) fallen bisher in die Zuständigkeit der Kreise. An diesen Zuständigkeitsfragen, wobei die Busverkehre im Mittelpunkt stehen, entzündet sich der Streit, der das gesamte Konzept scheitern lassen könnte.