Das Land ändert die Förderrichtlinien für Projekte im Straßenbau oder im Bereich der Schiene. Die Summe bleibt zwar gleich, allerdings erhalten die einzelnen Kommunen dann weniger. Die Gemeinden sind sauer.

Stuttgart - Wenn Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) über den langen Begriff Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz referiert, fasst er am Ende kurz und bündig und durchaus mit sich zufrieden zusammen: „Mit demselben Geld können mehr Kommunen profitieren.“ Das geht natürlich nur, wenn die einzelne Kommune weniger Geld erhält. Statt bis zu 75 Prozent betragen die Zuschüsse nur noch maximal 50 Prozent für verschiedene Projekte im Straßenbau oder im Bereich der Schiene, oder – das ist neu – bei manchen Lärmschutzmaßnahmen. Für den Radverkehr ändert sich nichts, da lag die Grenze bereits bei 50 Prozent.

 

Dass Städte und Kommunen ab 2014 weniger Geld für einzelne Projekte erhalten, verursacht Unzufriedenheit bis Ärger. Da geht es um die Verteilung zwischen öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) und Straße an sich, aber auch um die Pflichtaufgaben, also um Projekte, bei denen eine Kommune gar keine Wahl hat, als ihren Teil beizusteuern. Der beträgt beispielsweise bei der Modernisierung eines Bahnübergangs nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz ein Drittel. Das zweite Drittel bezahlt das Land, das dritte das betroffene Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Die Kommunen werden weiterhin durch die Zuschüsse des Landes entlastet, aber nicht mehr mit gut 70 Prozent, sondern nur noch mit 50 Prozent. Daran haben vor allem kleine Gemeinden schwer zu schlucken.

Die Kommunen müssen mehr Kosten selbst tragen

Um das Beispiel fortzuführen: bei einer eingleisigen Bahnstrecke kostet die Modernisierung eines Bahnübergangs bis zu einer halben Million Euro. Dabei sind zwei Schranken, die Rotlichter, die Hardware der Steuerung. Bei einer kommunalen Straße, die diese Schiene überquert, bleiben also mehr als 150 000 Euro an der Gemeinde hängen. Dabei spielt es eine große Rolle, ob der Zuschuss des Landes 100 000 Euro beträgt oder nur noch 75 000 Euro. Betroffen von solchen Fällen können selbst kleinste Gemeinden sein wie Rechtenstein an der Donautalbahn. Der Ort im Alb-Donau-Kreis mit weniger als 300 Einwohnern muss im Fall einer Modernisierung des Bahnübergangs bezahlen, obwohl der eigene Haltepunkt lange nur vom Ausflugsverkehr genutzt wurde. „Der Gemeinderat von solchen Orten debattiert über 500 Euro-Zuschüsse für den Posaunenchor und dann kann so ein Brocken kommen“, sagt Carsten Strähle, Chef des Eisenbahnverkehrsunternehmens Enag, das die Ermstalbahn und andere Linien betreibt. Strähle appelliert an das Ministerium, es doch wenigstens im Falle der Pflichtaufgaben ohne Entscheidungsspielraum für die Kommunen bei der alten Regelung zu belassen.

Problemfall Schönbuchbahn

Bei der Schönbuchbahn zwischen Böblingen und Dettenhausen bilden die 75-Prozent-Zuschüsse die Grundlage für alle Ausbauberechnungen. Fällt der Zuschuss geringer aus, will der Zweckverband der Kreise Böblingen und Tübingen die Planungen für die mit knapp 50 Millionen Euro veranschlagte Elektrifizierung der Strecke stoppen. Man hat die Hoffnung aber noch nicht ganz aufgegeben, schließlich sei der Antrag bereits im Frühjahr 2012 gestellt worden als die 75-Prozent-Zuschüsse noch galten, wird argumentiert.

Der Topf, aus dem diese Zuschüsse an die Kommunen fließen, wird jährlich mit 165,5 Millionen Euro gefüllt, die das Land vom Bund erhält. 60 Prozent davon flossen lange Zeit in den Straßenbau, 40 Prozent in den ÖPNV. Dieses Verhältnis dreht Hermann seit 2012 schrittweise um, von 2014 an erhält der ÖPNV deutlich mehr. Der baden-württembergische Landkreistag wendet sich lautstark gegen die Umschichtung: „Bei dem großen Nachholbedarf im kommunalen Straßenbau reichen die nun vorgesehenen Mittel von jährlich 66,5 Millionen bei Weitem nicht aus.“ Städte, Gemeinden und Kreise würden gezwungen, eigene Haushaltsmittel für die dringendsten Maßnahmen einzusetzen, die dann für andere Aufgaben nicht zur Verfügung stünden. Der Verband stellt die Prognose: „Letztlich wird sich die Straßenverkehrsinfrastruktur im Land weiter verschlechtern.“

Preisentwicklung bleibt unberücksichtigt

Unterm Strich kann mit der Gesamtsumme, die im Rahmen des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes verteilt wird, immer weniger finanziert werden. Die Mittel des Bundes sind seit 1996 eingefroren, die Preisentwicklung bleibt unberücksichtigt. Um viel fördern zu können, hat Minister Hermann auch die Fördermodalitäten geändert. So sollen im Bereich des ÖPNV jetzt zusätzlich kleinere Vorhaben zum Zuge kommen wie Verbesserungen der Fahrgastinformation oder auch die Beschaffung kleinerer Fahrzeuge für Rufbussysteme. „Der ländliche Raum, bei dem es eher um kleine Projekte geht, profitiert erheblich“, behauptet Hermann. Er weist auch einzelne Kritikpunkte zurück. Wegen veränderter Berechnungsmethoden würden die Kürzungen viele Kommunen nicht so hart treffen wie befürchtet. Die Veränderung gegenüber dem bisherigen Verfahren würde nur bei Projekten der Größenordnung von zehn Millionen Euro mit einer Steigerung von 38 Prozent ins Gewicht fallen. Wenn es um 100 000 Euro geht, falle die Steigerung mit acht Prozent moderater aus. Mit diesen Berechnungen, in die viele Kriterien einfließen, reagiert das Ministerium auf die laut werdende Kritik.

Viele Wünsche der Kommunen werden aber auch mit Hermanns neuen Vorgaben nicht gefördert werden können, und zwar ganz einfach deswegen, weil die bekannten Vorhaben das zur Verfügung stehende Fördervolumen „bei Weitem übersteigt“, wie das Ministerium erklärt. Um in nennenswertem Umfang neue Projekte bewilligen zu können, heißt es im Ministerium, sei eine breitere Steuerung durch die Fördersatzabsenkung notwendig. So betont Minister Hermann ein ums andere Mal: „Die Absenkung der Fördersätze auf 50 Prozent bedeutet keine Kürzung des Mittelvolumens, sondern nur eine andere Verteilung der knappen Mittel.“ Hermann legt noch ein grundsätzliches Argument nach: Es sei schließlich Aufgabe der Kommunen, den ÖPNV und die vorhandene Infrastruktur auszubauen. „Das Land gibt hierfür Zuschüsse, kann aber nicht der Hauptfinanzier sein“, sagt der Minister.

Die kleine Gemeinde wird das im Falle ihres Bahnübergangs wenig trösten. Zumal der Schienenpersonennahverkehr durchaus Sache des Landes ist.