Die Grünen wollen das B-10-Problem in Enzweihingen ohne Umfahrung oder Tunnel lösen. Doch Erfahrungen in anderen Orten zeigen, dass Krach und Stau ohne Neubau nur sehr schwer eingedämmt werden können.

Vaihingen/Enz - Eine große Portion Hohn und Spott hat Harald Gaßner jüngst über sich ergehen lassen müssen. Der Vaihinger Grünen-Stadtrat hatte am Mittwochabend betont, „wir sagen nicht, dass sich in Enzweihingen gar nichts ändern soll“. Genau das habe er aber getan, hielt ihm der Oberbürgermeister Gerd Maisch in der Ratssitzung entgegen. Denn die Grünen hatten es zuvor gewagt, für die sogenannte Nulllösung in Enzweihingen zu plädieren.

 

Nulllösung nach grüner Lesart bedeutet: weder eine naturschutzrechtlich problematische Umfahrung für 32 Millionen Euro noch einen städtebaulich problematischen Kurztunnel für bis zu 77 Millionen Euro zu bauen. Aber Nulllösung bedeute keineswegs, nichts zu tun, hatte Gaßners Fraktionskollegin Heike Tapken-Brust zuvor betont. „Wir wollen kleine Lösungen für Enzweihingen, die jetzt gleich greifen“ – und nicht erst in zehn Jahren, wenn der Bund sich überhaupt zu einem teuren Neubau durchringen könne. Gemeint war: Lärmschutzwände, Lärmschutzfenster, ein Tempolimit oder gar eine Pförtnerampel.

„Der Bund nimmt keinen einzigen Euro in die Hand“

Doch der OB warnte vor dieser Variante. „Der Bund wird keinen einzigen Euro in die Hand nehmen, wenn es dafür keinen Anspruch gibt“, sagte Gerd Maisch. Es sei fahrlässig, wenn das Gremium den Enzweihingern bei der Bürgerbefragung am 22. September eine Null-Variante nahe lege. Die Mehrheit folgte Maischs Ansicht. „Verhinderungspolitik durch die Hintertür“, warf der Stadtrat Armin Nonnenmacher (Freie Wähler) den Grünen vor. Mit 28 zu sieben Stimmen sprach sich das Gremium für eine Umfahrung aus.

Die Praxis in anderen Kommunen gibt Maisch zunächst Recht. Grundsätzlich besteht an allen Bundesfernstraßen, die durch Orte verlaufen, ein Lärmproblem für die Anwohner. Das machen die kommunalen Lärmaktionspläne deutlich – aber sie beseitigen das Problem nicht. Der Bund ist gesetzlich nur zu Lärmschutz verpflichtet, wenn er neu baut. Maßnahmen an bestehenden Strecken wie der B 10 in Enzweihingen sind nach Auskunft des Regierungspräsidiums Stuttgart (RP) „freiwillige Leistungen“. Soll heißen: bezahlt wird nur nach Kassenlage.

30 Jahre Warten auf den Lärmschutz

Allerdings gibt es auch Gegenbeispiele. Eines davon, wenn auch ein kleines, ist Enzweihingen selbst. Wie Nadine Hilber, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums, mitteilt, leiden in dem Vaihinger Stadtteil die Bewohner von 52 Gebäuden unter Verkehrslärm, der über den gesetzlichen Höchstwerten liege. An 18 Gebäuden habe der Bund Lärmschutzfenster finanziert. Die Bewohner der verbleibenden 34 Gebäude warten derweil schon seit 30 Jahren auf vergleichbare Maßnahmen. Lärmschutzwände schließe das RP aus – aus Kostengründen.

Drei deutlich größere Beispiele sind Asperg, Ludwigsburg und Möglingen. Als vor zwei Jahren die Standstreifen der A 81 für den Verkehr freigegeben wurden, ging ein Aufschrei durch diese Orte. Zunächst verweigerte der Bund den Anwohnern Lärmschutzwände. Die Freigabe sei ja keine bauliche Veränderung, hieß es. Auf Druck der Bürger und Gemeinderäte gab der Bund schließlich nach. Jetzt soll die Strecke mit geräuscharmem Asphalt und Lärmschutzwänden bestückt werden.

Kirchheim erreicht manches, will aber mehr

Wie der Asperger Bürgermeister Ulrich Storer mitteilt, lassen die Maßnahmen allerdings noch auf sich warten. Er habe diese Woche vom Regierungspräsidium erfahren, dass wohl frühestens 2016 mit dem Baubeginn zu rechnen sei.

Auch durch Kirchheim am Neckar verläuft eine Bundesfernstraße: die B 27 wird täglich von rund 20 000 Fahrzeugen genutzt – gut 10 000 weniger als in Enzweihingen. Wohl auch deshalb lässt der Bund zurzeit keine vom Gemeinderat heiß ersehnte Ortsumfahrung planen.

Immerhin hat die Gemeinde einen Erfolg erzielt, der Vaihingen nicht vergönnt war: das Regierungspräsidium verhängte in Kirchheim Tempo 30. Ein ähnlicher Antrag der Stadt Vaihingen wurde abgelehnt. Laut ist es an der Kirchheimer Ortsdurchfahrt allerdings immer noch.