Landesverkehrsminister Winfried Hermann hat in Backnang über das Thema Mobilität der Zukunft gesprochen, seinen Ärger über Ampeln – und darüber, wann das Auto doch die richtige Wahl ist.
„Staufrei, pünktlich und sauber – Mobilität der Zukunft in Baden-Württemberg und im Backnanger Raum“ war Thema eines Gesprächsabends, zu dem der Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich (Grüne) seinen Parteifreund, den Landesverkehrsminister Winfried Hermann, ins Universum-Kino gebeten hatte. Auch rund 80 Zuhörer sind der Einladung gefolgt. Mancher reagierte skeptisch auf den Titel: „Sauber und pünktlich – das scheint mir ein Fernziel zu sein“, kritisierte ein Gast.
Emissionen massiv senken
Minister Hermann wiederum empfand den Titel als zu kurz gegriffen: „Für mich müssten noch klimafreundlich, sicher, barrierefrei und nachhaltig dazukommen.“ In seinem Vortrag stellte er ambitionierte Ziele vor, wie die Reduzierung der CO₂-Emissionen um mindestens 55 Prozent bis 2030 (im Vergleich zu 1990). Dafür sei eine Verdopplung des öffentlichen Nahverkehrs notwendig, jedes zweite Auto und jede zweite Tonne müssten klimaneutral unterwegs sein, der Kfz-Verkehr in Stadt und Land um 20 Prozent sinken. Zudem müsse jeder zweite Weg aktiv, also zu Fuß oder mit dem Fahrrad, zurückgelegt werden.
Hermann sagte, dass er selbst häufig zu Fuß, mit dem Rad oder der Bahn unterwegs sei. Baden-Württemberg habe ein solides Schienenpersonennahverkehrskonzept. Nicht immer klappe alles reibungslos. „Natürlich gibt es auch Probleme, aber manchmal vergessen wir schlicht, dass es Sturm, Regen oder andere Störungen geben kann“, sagte er. „Wir dürfen nicht erwarten, dass alles immer perfekt funktioniert.“
Verkehrsmanagement-Zentrum geplant
Berufstätige sollten, wenn möglich, flexible Arbeitszeiten nutzen, um Stoßzeiten in Bussen und Bahnen sowie Staus auf der Straße zu vermeiden: „Wer im Auto im Stau steht, ist Teil des Problems.“ Teil des Problems sei aber auch die schlechte Steuerung des Verkehrs, etwa durch „dumme Ampelschaltungen“, die einen etwa an leeren Kreuzungen unnötig warten ließen. „Heute haben wir alle Möglichkeiten, mit Technologie Verkehre zu steuern“, sagte Hermann. Bis 2027 soll in Baden-Württemberg ein „Verkehrsmanagement-Zentrum“ aufgebaut werden, das Daten sammelt, mit dessen Hilfe Verkehrsströme gelenkt werden – und welches das ideale Fortbewegungsmittel und die ideale Route empfiehlt.
Im ländlichen Raum bleibt das Auto oft die einzige Alternative. „Rund drei Viertel aller Verkehre finden per Auto statt, folglich kann eine moderne Verkehrspolitik nicht gegen das Auto sein, sondern muss es intelligenter nutzen.“ Ein Beispiel ist der geplante Ausbau der Bundesstraße 14, der Pendlerstrecken entlasten und eine bessere Anbindung des ländlichen Raums schaffen soll.
Mit Car-Sharing und Ridepooling zum Ziel
Noch zu oft seien Autofahrer alleine im Fahrzeug unterwegs. Lösungsansätze seien etwa Car-Sharing oder das „Ridepooling“ – ein digitalbasiertes Mobilitätsangebot, bei dem Fahrtanfragen von mehreren Personen, die in eine ähnliche Richtung wollen, gebündelt werden. Ein weiteres Puzzleteil für die Mobilität der Zukunft seien darüber hinaus „On-Demand“-Angebote, bei denen es keine Fahrplan- und keine Linienwegbindung gibt. Die Fahrten werden nur nach Bedarf gestartet, etwa mit Kleinbussen oder Auto. In Karlsruhe seien, gegen eine geringe Zuzahlung, elektrisch betriebene „London Taxis“ im Einsatz, die per App gerufen werden, und die in das Ticketsystem des Verkehrsverbunds eingebunden sind.
Deutschlandticket als Baustein
Ein weiterer zentraler Baustein, den ÖPNV attraktiver zu machen, sei nach wie vor das Deutschlandticket. Wenngleich sich der Preis für das Ticket im kommenden Jahr von 49 auf 58 Euro pro Monat erhöhen werde, sparten die Nutzer dadurch Geld.
Hermann hob die Bedeutung eines leistungsfähigen Nahverkehrs hervor. Projekte wie der Metropolexpress (MEX) und neue Regiobuslinien schlössen Lücken im bestehenden Schienennetz und verbesserten die Verbindung zwischen ländlichen Regionen und Städten. Sicher müsse mehr in die Infrastruktur investiert werden, etwa in den mehrspurigen Ausbau der Murrbahn zwischen Waiblingen und Schwäbisch Hall.
„Die Murrbahn ist alt und über weite Strecken eingleisig – und eingleisige Strecken lassen sich schlecht im Halb-Stunden-Takt bedienen“, so der Minister. Dass die Züge auf dieser Strecke ausgelastet seien, freue ihn grundsätzlich. „Wir wollen doch, dass die Züge voll sind, dass sie phasenweise sehr voll sind, ist schön, aber auch ärgerlich. Ziel ist ja nicht, dass die Leute stehen müssen, sie sollen es gemütlich haben.“ Durch die „Dauerbaustelle S 21“ habe die Deutsche Bahn zu wenig Geld in die Infrastruktur gesteckt, monierte Hermann. Außerdem fokussiere sich die Bahn bei Sanierungen auf die Hochgeschwindigkeitskorridore.
Viele Verbesserungen seien im Bereich des Radverkehrs erreicht worden. „Wir haben in den letzten 13 Jahren massiv den Radverkehr gefördert und Kommunen mit Förderprogrammen unterstützt, um die Sicherheit für Radfahrer zu verbessern.“ Rund 8000 Kilometer umfasse das Landesradnetz. Dennoch gebe es noch zu viele unsichere Radwege und zu viele Lücken im Netz. „Unser Großprojekt heißt 20 Radschnellwege in Baden-Württemberg“, sagte Hermann. Das Projekt sei gut gestartet, dann habe sich jedoch gezeigt, dass es „genauso schwierig ist, einen Radschnellweg zu bauen, wie wenn man eine Autobahn bauen wollte.“
Der Weg zur Mobilität der Zukunft bleibe herausfordernd, machte Hermann deutlich, Nur mit Beharrlichkeit und Kompromissbereitschaft könnten nachhaltige Lösungen für alle Verkehrsteilnehmer geschaffen werden.