Erst Günstlingswirtschaft, nun sogar „Untreue“: die CDU attackiert Verkehrsminister Winfried Hermann wegen seiner Berater immer schärfer. Der Grüne ist darob ebenso empört wie die Regierungsfraktionen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Kontroverse über Auftragsvergaben durch das Verkehrsministerium von Winfried Hermann (Grüne) spitzt sich zu. In einer hitzigen Debatte im Landtag erhob die Opposition am Donnerstag erneut schwere Vorwürfe gegen Hermann. Wegen der Beauftragung der Berliner Beratungsfirma KCW und deren Partners Michael Holzhey sprach die CDU von „Günstlingswirtschaft“ und erhob sogar den Verdacht der Untreue. Auch die FDP äußerte die Vermutung, vom Verkehrsministerium würden „amigos verdes“, also grüne Freunde, versorgt.

 

Der Verkehrsminister wies die Vorwürfe empört zurück und bekam dabei Rückendeckung von den Sprechern der Regierungsfraktionen. Hermann sprach von „haltlosen, böswilligen Unterstellungen“ und „niederträchtigen Vorwürfen“. Die Opposition wolle damit vom „eigentlichen Skandal“ ablenken, nämlich dem Abschluss des Verkehrsvertrages mit der Deutschen Bahn vor zwölf Jahren. Um solche für das Land nachteiligen Verträge zu vermeiden, sei eine gute Beratung unabdingbar. Gemessen an dem zu schwarz-gelben Regierungszeiten ohne Ausschreibung vergebenen Milliardenauftrag sei die Kritik an den Mandaten für KCW im Wert von etwa 500 000 Euro eine „lächerliche Nummer“, sagte Hermann. Dank KCW habe man bereits fast 100 Millionen Euro eingespart.

Die Grünen sprechen von „Theater“

Der Grünen-Abgeordnete Andreas Schwarz wies den Verdacht der Untreue scharf zurück. „Hüten Sie Ihre Worte“, warnte er die CDU-Abgeordnete Nicole Razavi. Untreue sei ein strafrechtlicher Vorwurf, den sie nicht belegen könne. Die Kritik an den Auftragsvergaben wertete Schwarz als „Inszenierung eines Theaterstücks“. Es sei „normaler Usus“, dass die Ministerien bei schwierigen Themen Berater verpflichteten. Auch der SPD-Abgeordnete Hans-Martin Haller verteidigte die Vergaben, die rechtlich korrekt erfolgt seien. „KCW ist eine Firma, die ein Renommee hat“, fügte er hinzu. Die Opposition sitze „im Glashaus“, wenn sie die Vergabe von Gutachten kritisiere: Zwischen 2004 und 2010 sei die Summe solcher Aufträge nach einer Übersicht von 800 000 Euro auf fast zehn Millionen Euro gestiegen. Grundsätzlich seien Gutachten „nichts Schlechtes“, aber man müsse sie „mit Maß und Ziel“ einsetzen, unterstrich Haller.

Auftrag zu Stuttgart 21 im Visier

Grundlage der Debatte war die Antwort des Verkehrsministeriums auf eine CDU-Anfrage. Danach hat KCW seit dem Regierungswechsel Aufträge im Wert von rund 500 000 Euro erhalten, überwiegend für die Beratung im Zusammenhang mit Ausschreibungen für den Schienennahverkehr. Die Vergabe erfolgte meist freihändig oder direkt, bei der einzigen Ausschreibung kamen die Berater erst im zweiten Anlauf zum Zug, nachdem die Kriterien geändert worden waren – im Einvernehmen mit allen Beteiligten, wie betont wird. Die CDU nimmt derweil einen Auftrag im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ins Visier: Mitte 2011 hatte KCW für 60 000 Euro eine „ökonomische Bewertung von Kosten und Risiken“ des Bahnprojekts vorgenommen. Genau zu diesem Thema habe der KCW-Berater Holzhey ein halbes Jahr vorher bei der Schlichtung gesprochen, sagte die Abgeordnete Razavi; sein Einsatz für die Projektgegner sei womöglich „nachträglich vergoldet“ worden. Laut Razavi will die CDU nun mit einem neuen Antrag nachfassen; sie fordert auch die Offenlegung des bisher nicht bekannten Gutachtens.

Den Filzvorwurf hält Verkehrsminister Hermann auch deshalb für abwegig, weil KCW schon seit 2008 für die Nahverkehrsgesellschaft des Landes tätig sei – also noch zu CDU-Zeiten. Das zeige, dass die Opposition „einfach Mumpitz“ erzähle.