Der Fahrradclub ADFC beklagt eine Reihe von zeitraubenden Kuriositäten auf einem gerade 50 Meter langen Stück Radweg. Laut Stadt sind die nur ein Provisorium und sollen im Endausbau verschwunden sein – zum Teil.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Der Rechtsbruch ist hier eine Massenbewegung. Vor gut einem Monat hat die Stadt links und rechts der Calwer Straße Radstreifen markieren lassen. Für sie herrscht Benutzungspflicht, aber niemand benutzt sie, aus allerlei Gründen. Der offensichtlichste ist, dass der Weg endet, kaum dass er begonnen hat, nach knapp 50 Meter Strecke ist schon wieder Schluss. Davor und danach gilt der Gehweg als Radweg. Dazwischen – nicht juristisch, aber faktisch – ebenfalls.

 

Auf jenen 50 Meter reihen sich Kuriositäten aneinander. So beklagt es die Ortsgruppe des ADFC. Putzig ist ein Wendeplättchen, kaum so groß wie ein Doppelbett. Eingerahmt von weißen Streifen, ist ein Fahrrad-Piktogramm auf dem Gehweg markiert. Radler, die sich an die Regeln halten, biegen hier von der Straße ein, stellen ihr Rad aufs Piktogramm, gehen zwei Meter zur Ampel, drücken die Taste, um grünes Licht anzufordern, steigen wieder auf, warten aufs Signal und dürfen dann ordnungsgemäß nach links von der Calwer- in die Konrad-Zuse-Straße abbiegen. Autofahrer benutzen die Abbiegespur ein Stück die Straße hinunter und sparen im Vergleich zu den Radlern 20 Meter Strecke.

Geplant war eine vollwertige Abbiegespur

Das Wendeplättchen „ist ein Lachplättchen“, sagt der ADFC-Vorsitzende Roland Schmitt. Ursprünglich sollte eine vollwertige Abbiegespur für Radler eingezeichnet sein. „So war es in der Arbeitsgemeinschaft Radverkehr besprochen“, sagt Schmitt, „jetzt hält sich niemand an die Regelung, das ist natürlich die Konsequenz“.

Mit der gleichen Respektlosigkeit strafen Fußgänger wie Radfahrer eine Ampel auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie soll vor Autofahrern schützen, die über den Gehweg auf einen Firmenparkplatz einbiegen. Auf ihm stehen an diesem Nachmittag sieben Autos und ein Motorrad. Binnen 20 Minuten kommt niemand hinzu oder fährt ab. Schräg gegenüber ergießt sich derweil vom Parkplatz eines Baumarkts der Strom der Heimwerkerautos über den Gehweg. Dort warnt nicht einmal ein Schild vor der Gefahr.

Die besteht tatsächlich, wenn auch an anderer Stelle. Gemäß der bundesweiten „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“ ist für gemischte Geh- und Radwege eine Breite von mindestens 2,50 Meter vorzusehen. Allerdings „nennt sich das eben Empfehlungen“, sagt Schmitt. „Die Stadt Böblingen hält sich nicht daran.“ Auch dies ist offensichtlich. Wo Radfahrer vom Gehweg auf das für sie reservierte Straßenstück wechseln sollen und nach 50 Meter wieder zurück auf den Gehweg, schrumpft die Breite für sie auf weniger als 30 Zentimeter. Empfehlungsgemäß sollte allein ein Schutzstreifen zwischen Fahrbahnen und Radwegen mindestens 50 Zentimeter breit sein. Wer hier darauf beharrt, dass des Radlers Weg ist, was als sein Weg markiert ist, riskiert, rücklings von Lastwagen gestreift und auf den Bordstein geworfen zu werden.

Fußgänger sind ebenfalls gefährdet

Fußgänger sind ebenfalls gefährdet. Der vor und hinter dem Streifen beiden gemeinsame Weg erreicht an keiner Stelle die Breite von 2,50 Meter. Wo Ampelmasten oder Verkehrsschilder aufragen, bleibt kaum ein Meter Platz. In diesem Punkt „gebe ich Herrn Schmitt uneingeschränkt Recht“, sagt der städtische Verkehrsplaner Gunnar-Steffen Kimmel. In anderen „muss man die Kritik relativieren“. Dies, weil das Stückchen Radweg nur ein Provisorium ist. Einige der Kuriositäten werden beseitigt.

Der Radstreifen soll sich im Endzustand über eine Länge von knapp einem Kilometer erstrecken. Wann der hergestellt sein wird, ist unklar, weil die Stadt noch an Ampelschaltungen tüftelt. Das aktuelle Stück ist vorweg markiert worden, weil ohnehin die Kreuzung umgebaut wurde. Ungeachtet dessen „ist nicht alles so gebaut worden wie geplant, aus welchem Grund auch immer“, sagt Kimmel. „Das wird nachgebessert.“ Das Wendeplättchen soll wachsen, genauso wie einige der Engpässe. Aber grundsätzlich „sind die Anlagen nach dem Stand der Technik und der Verkehrssicherheit gebaut“, sagt Kimmel. Womit der Hauptnachteil asphaltiert bleibt: Im ungünstigsten Fall, rechnet der ADFC vor, dauern die 50 Meter Fahrt drei Minuten.