Die Stadt plant sich Schritt für Schritt hinein in eine möglichst umweltfreundliche Verkehrszukunft. Bisher ist unverändert das Auto die erste Wahl bei der Fortbewegung.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Herrenberg - Die Statistik lässt Spielraum für unterschiedlichste Schlüsse. Die häufigste Antwort bei der Umfrage „Wie beurteilen Sie den öffentlichen Nahverkehr?“ war ein Achselzucken. Die meisten Herrenberger ließen wissen, dass sie nie in Busse und Bahnen einsteigen. Auf der anderen Seite kauft immerhin jeder Fünfte regelmäßig eine VVS-Dauerkarte. Insgesamt „steht Herrenberg nicht schlecht da“, sagt der Verkehrsingenieur Alexander Goth.

 

Goth hat diese und etliche andere Zahlen erhoben, im Auftrag der Stadt. Dies als Zwischenschritt in eine Zukunft mit möglichst umweltfreundlicher Fortbewegung. Die Grünen fordern sogar, dass die Stadtbusse künftig nicht mehr mit Diesel betrieben werden dürfen. „Wir leben nicht in einer Verkehrshölle, aber es muss dringend etwas getan werden.“ So sagt es der Freie Wähler Thomas Deines gleichsam stellvertretend für die Mehrheit im Gemeinderat.

Statistisch hat jeder Herrenberg ein Fahrrad im Keller stehen

Die grundsätzlichen Ziele verdeutlichen bereits die Farben in Goths Balken- und Kuchengrafiken. Autofahrer leuchten stets in Gefahrenrot, Beifahrer sind orange, Fußgänger, Rad- und Bahnfahrer in Grüntönen gekennzeichnet. Kurioserweise wählte Goth für Motorradfahrer ein neutrales Gelb. Was aber nicht ins Gewicht fällt, weil kaum ein Herrenberger ein Motorrad besitzt. Ganz im Gegensatz zum Fahrrad: Jeder Befragte hat eines im Keller stehen.

Was nicht zwingend bedeutet, dass er regelmäßig in die Pedale tritt. Elf Prozent ihrer Wege legen die Herrenberger mit dem Rad zurück. Die Zahl liegt ziemlich genau im bundesweiten Schnitt und etwa auf Augenhöhe mit einigermaßen vergleichbaren Städten. Zu den begeisterten Radlern zählen die Memminger. Für ein Viertel ihrer Wege steigen sie in den Sattel. Hingegen schmähen 93 Prozent der Esslinger für die alltägliche Fortbewegung das Fahrrad.

Im Widerspruch zu den im Ratssaal formulierten Ziele ist das Rot die vorherrschende Farbe in Goths Grafiken. Für knapp die Hälfte aller Fahrten bleibt das Auto die erste Wahl. Für den Weg zur und von der Arbeit steigt der Anteil auf 63 Prozent. Damit liegt Herrenberg deutlich über dem Bundes-Durchschnitt, aber wiederum etwa auf Augenhöhe mit kleineren Städten in Baden-Württemberg. Auch in Winnenden, Aalen oder Memmingen hat der Autoverkehr einen Anteil von ziemlich genau 50 Prozent.

Jeder, der sich berufen fühlt, soll mitdiskutieren

Goth sagt voraus, dass „das Mobilitätsbedürfnis stets steigen wird“. Bei der Frage, wie dieses Bedürfnis möglichst gedeckt werden kann, ohne dass Motoren gestartet werden, wird wie stets in Herrenberg zunächst die Bürgerschaft gehört. Dies in zwei Stufen. Auf der ersten soll schlicht jeder mitdiskutieren dürfen, der sich berufen fühlt. Auf der zweiten werden verschiedenste Interessenvertreter an den Tisch gerufen. Bildhaft formuliert: vom Fahrradclub bis zum Automobilclub. Um die Runden zu moderieren, ist eigens der Professor Hartmut Topp engagiert worden. Das Fraunhofer-Insitut und die Uni Stuttgart sind ebenfalls beteiligt. Ende 2018 soll das Verfahren in ein Gesamtkonzept münden, den sogenannten „Integrierten Mobilitätsentwicklungsplan“, kurz Imep.

Allerdings „haben wir jetzt umfangreiches Datenmaterial“, sagt der CDU-Fraktionschef Hermann Horrer und mahnte an, dass die nächsten anderthalb Jahre bei allem Planungswillen kein Stillstand herrschen dürfe. Was der Meinung aller Fraktionen entspricht. In der Tat hat Goth auch die Kritik der Bürgerschaft samt Verbesserungsvorschlägen umfangreich abgefragt, und in der Tat herrscht in Verkehrsangelegenheiten ein gewisser Stillstand. Was aber schlicht daran liegt, dass die Stelle des Verkehrsplaners vakant ist.