Die Verkehrszählung des Bundes fördert es zu Tage: 80 300 Autos passieren täglich die Bundesstraße 27 zwischen Echterdingen und Aich – das ist deutscher Rekord.

Filder - Die Zahlen sind zwei Jahre alt – und doch relativ neu: 2010 hat der Bund eine Straßenverkehrszählung durchgeführt, deren Ergebnisse liegen erst seit Ende vergangenen Jahres vor. Große Aufmerksamkeit hat das Zahlenkompendium bislang nicht erregt – und dennoch birgt es politischen Sprengstoff, gerade auf den Fildern. Die Verkehrszählung, die im Rhythmus von fünf Jahren die Belastungen der Autobahnen und Bundesstraßen ermittelt, hat ergeben, dass der Filder-Abschnitt der B 27 zwischen Aichtal und dem Echterdinger Ei der am stärksten befahrene Abschnitt einer Bundesstraße ist.

 

Das Ergebnis gilt nicht nur landesweit, sondern für die gesamte Republik: 80 300 Fahrzeuge im täglichen Durchschnitt haben die Zählungen ergeben. Gegenüber 2005 hat die Belastung um 2500 Fahrzeuge pro Tag zugenommen. Der Schwerverkehrsanteil liegt bei 5,6 Prozent. Damit fahren heute bereits 22 300 Autos mehr über die Filder als in einer amtlichen Verkehrsprognose für das Jahr 2015 vorausgesagt wurde. 65 000 Fahrzeuge sind es im weiteren Verlauf bis Degerloch. Platz zwei der Hitliste belegt die B 1 in Dortmund.

Minister bestätigt Zahlen

Herausgefunden hat das der Landtagsabgeordnete Thaddäus Kunzmann, der für die CDU im Verkehrsausschuss sitzt. Mit starker Belastung hatte auch er gerechnet, aber dass die B 27 auf dem 8,2 Kilometer langen Filder-Abschnitt bundesweit führend sein würde, hatte auch er nicht erwartet. Über eine Kleine Anfrage an die Landesregierung hat sich Kunzmann die Zahlen inzwischen von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) bestätigen lassen.

„Ich glaube, der Verkehrsminister hat erkannt, dass es so nicht mehr weitergeht mit der B 27“, sagt Kunzmann im Gespräch mit unserer Zeitung. Erstmals habe Hermann jetzt erklärt, er werde sich für einen sechsspurigen Ausbau der Bundesstraße einsetzen, zitiert er erfreut aus der Antwort des Ministers auf seine Anfrage. Vor einem halben Jahr habe sich Hermann noch anders geäußert. Nun stellt der Grüne sogar fest: „Die B 27 wird im und teilweise über dem Grenzbereich ihrer Leistungsfähigkeit betrieben.“ Und das führe zu „häufigen Überlastungserscheinungen, insbesondere zu Staus“ in den Hauptverkehrszeiten.

Kunzmann erwartet keine wesentlichen Verbesserungen

Allerdings ist das Ja des Ministers mit der Einschränkung verbunden, dass er nur dann eine Verbreiterung will, wenn andere Maßnahmen zur Verkehrsverringerung nicht greifen. Dazu zählt Hermann eine Optimierung der „vorhandenen technisch-telematischen Instrumente zur Verkehrsbeeinflussung“. Untersucht werde zurzeit beispielsweise auch, ob und wie „durch Echtzeit-Verkehrsinformationen, durch Vernetzung von Verkehrsmitteln und Verkehrsangeboten sowie durch Mitfahrgemeinschaften Entlastungseffekte erzielt werden können“. Außerdem werde geprüft, ob mit kleinen baulichen Maßnahmen Verbesserungen erzielt werden können. Zum Zeitpunkt, wann das Ministerium Untersuchungsergebnisse erwartet, macht Hermann in seiner Antwort an Kunzmann keine Angaben. Wesentliche Verbesserungen bei der Verkehrsdichte verspricht sich Kunzmann von diesen Dingen nicht.

Ausbau bisher nicht „vordringlich“

Der CDU-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Nürtingen/Filder mahnt deshalb zur Eile. Im Jahr 2015 werde der Bundesverkehrswegeplan fortgeschrieben. Straßenprojekte, die dort nicht als vordringlich gekennzeichnet sind, haben auf Jahrzehnte hinaus überhaupt keine Realisierungschance. Bisher wird die B 27 auf den Fildern nur im sogenannten weiteren Bedarf geführt. Um überhaupt in die Nähe einer Realisierung zu kommen, müsste der sechsspurige Ausbau in die Kategorie vordringlich hochgestuft werden, weiß Kunzmann. Und er weiß auch: „Dann ist natürlich noch kein Bau in Sicht.“

Ohne die Initiative des Landes werde der Bund aber keine neue Einstufung der B 27 vornehmen. „Spätestens 2013 muss das Land da in die Gänge kommen“, sagt Kunzmann. „Welches Argument braucht man denn noch, wenn nicht diese Zahlen?“ Das Verkehrsministerium lässt sich beim Thema Bundesverkehrswegeplan zurzeit überhaupt nicht in die Karten schauen. Edgar Neumann, Sprecher von Minister Hermann, sagt auf Anfrage nur, dass die Landesregierung „im Spätjahr“ darüber entscheiden wolle, welche Projekte für den vordringlichen Bedarf angemeldet werden. Welche das sind, und ob der Filder-Abschnitt der B 27 dazugehört, lässt Neumann offen. Auch zu der Frage, ob andere, bislang als vordringlich eingestufte Abschnitte der B 27 zu Gunsten der Filderstrecke zurückgestuft werden könnten, äußert sich das Ministerium nicht.