Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt steht vor allem für die umstrittene Pkw-Maut. Doch das ist zu wenig – angesichts der Defizite in der Infrastruktur, meint Norbert Wallet.

Berlin - Eine kleine Testfrage vorweg, bitte schnell antworten, denn es kommt auf das Bauchgefühl an: Wofür steht Alexander Dobrindt (CSU), der Bundesverkehrsminister, eigentlich politisch? Es gibt nur eine richtige Antwort, und jeder wird sie geben: Er steht vor allem, wenn nicht ausschließlich, für die Pkw-Maut. Das ist sein zentrales Projekt, ihm als Kampfauftrag von der Münchner CSU-Parteizentrale mitgegeben. Am Freitag hat er sie in den Bundestag eingebracht. Auch wenn er das Vorhaben gar nicht mehr Pkw-Maut nennt, schon gar nicht Ausländer-Maut, wie es noch im Bundestagswahlkampfes 2013 zu hören war. Dobrindt spricht nun von „Infrastrukturabgabe“. Ein Hinweis darauf, dass die Einnahmen in den Fernstraßenbau fließen sollen.

 

Ein Kilometer Autobahn für 20 Millionen

Das führt zu einer zweiten Frage, die nur scheinbar mit der ersten wenig zu tun hat. Wie teuer ist eigentlich ein Kilometer Autobahn? So pauschal ist das zwar nicht zu sagen, aber irgendwo zwischen 6 und 20 Millionen Euro liegen die Kosten, abhängig von Gelände und Untergrund. Stadtautobahnen sind besonders teuer, oft aber auch wegen des großen Verkehrsaufkommens auch besonders sanierungsbedürftig. Die Verlängerung der A 100 in Berlin kostet 470 Millionen Euro – für 3,2 Kilometer Straße.

Wo liegt die Verbindung mit der Pkw-Maut? Sie liegt in Dobrindts Argument, die Maut liefere einen wichtigen Beitrag, „um den hohen Standard des deutschen Infrastrukturnetzes aufrecht zu erhalten und den prognostizierten Verkehrszuwachs im Personen- und Güterverkehr bewältigen zu können“. So liest man es auf der Homepage des Verkehrsministeriums. Das ist nicht irgendeine belanglose Bemerkung, sondern eine zentrale Begründung: Mit den Maut-Einnahmen soll eine „größere Unabhängigkeit von der Haushaltslage des Bundes und mehr Planungssicherheit für die Finanzierung von dringend erforderlichen Verkehrsinfrastruktur-Investitionen erlangt werden“.

Das Straßennetz ist völlig überlastet

Klingt gut, hat nur einen Haken: Die Maut bringt nach den optimistischen und von vielen Fachleuten heftig bezweifelten Berechnungen des Ministers gerade mal eine halbe Milliarde Euro – mit anderen Worten: damit könnten die 3,2 Kilometer Berliner Stadtautobahn finanziert werden. Wer wie Dobrindt argumentiert, mit der Maut würde „der hohe Standard des Infrastrukturnetzes“ besser gewahrt, kann auch sagen, dass mit dem Verzicht auf den heutigen Nachtisch die Welt-Ernährungslage drastisch verbessert würde.

Erhalt und Ausbau der Infrastruktur in Deutschland sind gewaltige Aufgaben. Das Straßennetz ist überlastet, Brücken und Tunnel in bedenklichem Zustand. Der flächendeckende Ausbau eines Glasfasernetzes wäre eine zwingende Voraussetzung dafür, dass Deutschland den Anschluss im Kampf um eine Spitzenposition im digitalen Wettlauf nicht verliert, und die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Stromtrassen leistungsfähig bleiben. Das alles addiert sich zu einem Investitionsstau von gewaltigem Ausmaß. Ihn aufzulösen ist nicht erst die zentrale politische Herausforderung der kommenden Bundesregierung, ganz gleich unter wessen Führung. Sie ist schon heute die Kernaufgabe des Ministers, auf dessen Schreibtisch all diese Probleme anlanden: Der Bundesverkehrsminister ist auch für die Digitalisierung zuständig. Damit ist er der „Zukunftsminister“ im Bundeskabinett. Das ist eine gewaltige und interessante Aufgabe, die Tatkraft und Kreativität erfordert.

Dobrindt aber kämpft an anderer Front. Er muss nachweisen, dass seine EU-rechtlich fragliche und hoch bürokratische Maut überhaupt Einnahmen generiert und nicht, wie vom ADAC vorgerechnet, zum Minusgeschäft wird. Ziemlich jämmerlich, wenn ein Minister kalkuliert, dass er Zukunftsaufgaben verschlafen darf, wenn er nur diesen Kleinkrieg gewinnt.