Video-Werbetafeln an Straßen leben von der Aufmerksamkeit der Autofahrer. Als Gefahr gelten sie in deutschen Gesetzen aber dennoch nicht. Kommunen können die Verbreitung nur auf Umwegen eindämmen.

Vaihingen/Enz - Zu den prominenten Beispielen für Videowerbetafeln zählt die Reklame, die vom Bosch-Turm am Stuttgarter Pragsattel flimmert. Weniger prominent und deutlich kleiner ist der Bildschirm an der B 10 im Vaihinger Stadtteil Enzweihingen. Dennoch sehen manche Kommunalpolitiker und die Verwaltung die Werbung nicht gerne. „Wir konnten die Baugenehmigung nicht versagen“, sagt der Vaihinger Oberbürgermeister Gerd Maisch. Die zuständige Straßenbaubehörde beim Regierungspräsidium Stuttgart (RP) habe keine Einwände gehabt. „Ich persönlich war auch überrascht, dass die Behörde keine Bedenken hatte“, sagt der Vaihinger Rathauschef.

 

Jetzt will die Stadt der Sache anders Herr werden. Am Mittwochabend hat der Gemeinderat einen Bebauungsplan auf den Weg gebracht, mit dem zumindest in Zukunft weitere derartige Bauwerke (übrigens auch weitere Spielhallen) verhindert werden sollen. Das Kuriosum dabei ist: eigentlich hatte das RP nach Auskunft einer Sprecherin durchaus angemerkt, dass die im Mai 2013 genehmigte Anlage „die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer nicht ablenken darf“. Niemand bestreitet, dass die Videowände an großen Straßen fast ausschließlich davon leben, dass Autofahrer deren Inhalt betrachten. Und dennoch kommen Städte und Gemeinden mit diesem Argument nicht gegen die oft unerwünschten Werbewände an.

„Es fehlen konkrete Zahlen“

Das hat ganz konkrete Gründe: ein gesetzliches Verbot auf Basis von Sicherheitsargumenten ist nicht vorgesehen – zu Recht, wie Christoph Schulze, Mitarbeiter des Instituts für Verkehrspsychologie an der Technischen Universität in Dresden, erläutert. „Es ist unbestritten, dass es eine gewisse Ablenkung durch solche Anlagen gibt“, sagt der Psychologe und Ingenieur. Das Problem sei nur: „es fehlen konkrete Zahlen“. Die Vorteile der Werbeunternehmen und der Kommunen durch solche Werbetafeln (Pachteinnahmen, Werbeerlöse) seien klar bezifferbar. Die potenziellen Nachteile hingegen seien schwer in belastbare Größen zu fassen.

Zwar verweist Schulze auf Studien, insbesondere aus den USA, die gezeigt hätten, dass die Ablenkung von Autofahrern durch Werbetafeln – insbesondere durch Videobildschirme – mitunter groß sein kann. Allerdings wird auch dort immer betont, dass das Ausmaß der Gefährdung und Beeinflussung stets von der Konstellation im konkreten Einzelfall abhänge: wie hell leuchtet das Display? Wie weit sind Ampeln und Kreuzungen entfernt? Welches Tempolimit gilt? Im Einzelfalls könne es sinnvoll sein, nur Inhalte zu erlauben, die nicht so stark ablenken. Derartige Regeln gebe es beispielsweise in den Niederlanden. Auch Helligkeitsbeschränkungen seien möglich. Generelle Verbote hingegen seien schwer zu rechtfertigen.

Der Staat setzt auf Selbststeuerung

„Es gibt dabei keine allgemeinen Regeln“, sagt Christoph Schulze. Allgemeine gesetzliche Regeln stießen zudem schon an ganz praktische Grenzen: „Laut der Straßenverkehrsordnung darf ein Autofahrer sich gar nicht ablenken lassen.“ Wer zugebe, dass er auf eine Videowand geschaut und deshalb einen Unfall verursacht habe, liefere quasi ein verschärftes Schuldeingeständnis ab. Das mache die Datenlage noch problematischer: selbst wenn eine Videotafel an einem ausgewiesenen Unfallschwerpunkt stehe, könne die Werbung nicht als Ursache dingfest gemacht werden.

Letztlich bleibe die Verantwortung also am Autofahrer hängen: „unser System setzt sehr stark auf Selbststeuerung“.