Verkehrsunfallbilanz der Polizei Die zehn schlimmsten Unfallorte in Stuttgart

Ein Fußgänger stirbt im Juli 2021 am Olgaeck – gegen den Autofahrer ist inzwischen Anklage erhoben worden. Foto: 7aktuell.de/Simon Adomat

Der Tod eines Fußgängers in der Innenstadt wird ein Fall fürs Gericht. Ansonsten gibt es aber auch Lichtblicke in der Unfallbilanz der Stuttgarter Polizei.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Warum der 50-jährige Fußgänger die dreispurige Bundesstraße in der Innenstadt überqueren wollte, wird wohl nicht mehr zu klären sein. Offenbar alkoholisiert war er auf der Fahrbahn zwischen Olgaeck und Charlottenplatz unterwegs, als er mit voller Wucht von einem Mercedes-Cabriolet erfasst wurde. Der 50-Jährige ist eines von fünf Todesopfern in der Unfallbilanz 2021 der Stuttgarter Polizei, die am Donnerstag vorgestellt worden ist. Ein Fall, der noch ein Nachspiel haben wird.

 

Was hat man über den Unfall ermittelt?

Der Ort des tödlichen Fußgängerunfalls gehört zu den traurigen Top 10 der Unfallbrennpunkte. Der Bereich Charlotten- und Olgastraße in der Innenstadt hat mit 400 000 Euro sogar die höchste Schadensumme. Der tödliche Fußgängerunfall am 10. Juli hätte aber auch trotz eines möglichen Fehlverhaltens des Passanten wohl nicht passieren müssen. Zu diesem Schluss kommt nun die Staatsanwaltschaft.

Der 18-jährige Mercedes-Fahrer „hätte den Unfall vermeiden können, wenn er ordnungsgemäß gefahren wäre“, sagt Staatsanwältin Melanie Rischke. Nach Erkenntnissen eines Gutachters dürfte der Fahrer nicht mit den erlaubten 40 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen sein – sondern mit bis zu 90 km/h. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen fahrlässiger Tötung beim Jugendschöffengericht des Amtsgerichts erhoben.

Wo kracht es in Stuttgart am häufigsten?

Die unfallträchtigste Stelle ist die Kreuzung Waiblinger und Daimlerstraße in Bad Cannstatt. Dabei haben die Karambolagen stets dasselbe Muster: Autofahrer wollen verbotenerweise über die Gleise abbiegen und prallen mit einer Stadtbahn zusammen, die in gleicher Richtung unterwegs ist. Die Folgen: zehn Verletzte und 342 000 Euro Schaden. Wie hält man Autofahrer ab? Welche Ideen hat Michael Saur, Leiter der Verkehrspolizei? „Allgemein wären Klemmfix-Baken oder Sperrflächen eine gute Lösung“, sagt er, „für diese Stelle kommen sie aber nicht infrage.“ Alternativ werde nun geprüft, ob für ortsunkundige Fahrer ein Schild mit Hinweis auf eine spätere Wendemöglichkeit am Wilhelmsplatz aufgestellt wird.

Freilich: Der Cannstatter Wilhelmsplatz liegt auf Platz zwei der Brennpunkt-Hitliste. Überhaupt ist Bad Cannstatt mit vier Unfallstellen am häufigsten in der Top 10 vertreten. In der Daimler-/Deckerstraße nahe dem Bahnhof stieg der Unfallschaden um fast das Fünffache – auf knapp 400 000 Euro.

Welche besonderen Probleme gibt es?

Die Zahl der E-Scooter-Unfälle hat sich mehr als verdreifacht – auf 147 Fälle. Der Grund: Es gibt immer mehr Roller, und der Spaß scheint wichtiger als Verkehrsregeln. Allgemein steigt die Zahl der Alkohol- und Drogenunfälle – um fast 15 Prozent.

Erwischt die Polizei auch mehr Sünder?

Ohne Zweifel: Es gab doppelt so viele Rotlichtverstöße und jeweils 16 Prozent mehr Handy- und Temposünder. Und doch: Trotz mehr als 17 000 geblitzten Autofahrern ging die Zahl der Fahrverbote von 1819 auf 661 zurück. „Das“, sagt Saur, „liegt an der Novelle des Bußgeldkatalogs, dessen ursprüngliche Verschärfungen teils revidiert wurden.“

Wie sieht es mit den Opferzahlen aus?

Es gibt Lichtblicke. Fünf Tote sind zwei weniger als im Jahr davor – betroffen waren der Fußgänger, zwei Radfahrer, eine Pedelecfahrerin und ein E-Bike-Kleinkraftradfahrer. Bemerkenswert: 1879 Verletzte sind so wenige wie noch nie. Die Zahl der Schwerverletzten ist gar um 30 Prozent zurückgegangen. „Das könnte auch mit der schlechteren Witterung als im Vorjahr und mit weniger Zweiradfahrten zu tun haben“, sagt Saur.

Sind die Unfallzahlen wirklich niedrig?

Durchaus, bilanziert die stellvertretende Leiterin der Schutzpolizei, Claudia Rohde. Zwar habe der Verkehr im zweiten Pandemiejahr zugenommen, doch 20 074 Unfälle liegen zum dritten Mal in 20 Jahren unter der Marke von 21 000 Unfällen. Aber: „Nach Überwindung der Pandemie wird die Fortsetzung dieses positiven Trends aller Voraussicht nach so nicht mehr zu erwarten sein“, sagt die Polizeidirektorin. Übrigens: 1995 gab es, ohne Pandemie, sogar nur 17 980 Unfälle. Eine Erklärung gibt es nicht.

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