Viele hatten sich an diesem Mittwoch einen Fahrplan aus der Coronakrise erhofft. Stattdessen verständigten sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder auf vorsichtige Schritte. In Stuttgart gibt es dafür viel Verständnis – aber nicht bei allen Fragen.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Wie zufrieden ist man in Stuttgart mit dem Ergebnis der Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten der Länder am Mittwoch? Im Vorfeld wurde spekuliert, dass stufenweise Lockerungen bekannt gegeben werden könnten, ein Fahrplan aus der Krise gefordert, damit die Menschen planen können und vielleicht ein Licht am Ende des Tunnels sehen. Heraus kam, dass die Kontaktsperre, wie sie heute gilt, mindestens bis zum 3. Mai bestehen bleibt, Großveranstaltungen bis zum 31. August untersagt sind, das Tragen von Schutzmasken empfohlen wird und viele Kompetenzen bei den Ländern bleiben. Bereits ab Montag sollen kleine Geschäfte wieder öffnen dürfen.

 

In der Stuttgarter Kommunalpolitik fasst man das Ergebnis der Beratungen auf höchster Ebene unterschiedlich auf. CDU-Stadtrat Maximilian Mörseburg findet es prinzipiell richtig, bei Gedanken über Lockerungen auf Experten zu hören, gibt aber auch zu bedenken: „Der Druck für die Unternehmen, insbesondere Einzelhändler und Gastronomen in Stuttgart ist inzwischen sehr hoch.“ Dennoch dürften die Maßnahmen nicht leichtfertig gelockert werden, da ein ständiges Öffnen und Schließen der Wirtschaft noch stärker zusetzen würde.

„Genickschuss“ für Einzelhändler

Die SPD-Stadträtin Lucia Schanbacher hält das vorsichtige Vorgehen ebenfalls für richtig. „Man muss sich sehr gut überlegen, wie man das gesellschaftliche Leben vorsichtig wieder hochfährt“, sagt sie. Die Bundesländer müssten sich gut absprechen, uneinheitliche Regelungen führten zur Unverständnis und Frust bei den Menschen. „Ich möchte noch mal an alle appellieren, sich auch weiterhin an die Kontaktbeschränkungen zu halten und es jetzt nicht schleifen zu lassen“, sagt Schanbacher. Sonst drohe der gegenteilige Effekt, statt Lockerungen weitere Beschränkungen.

Marcel Roth, der für die Grünen im Gemeinderat sitzt, hat ebenfalls klare Prioritäten. „Der Gesundheitsschutz steht für mich vor ökonomischen Überlegungen“, sagt er. Da der Shutdown in seiner jetzigen Form verlängert wurde, gehe es jetzt in Stuttgart darum, die nächsten Wochen zu nutzen, um „kreative, auf den ersten Blick vielleicht witzig anmutende Lösungen“ für die existenzbedrohten Betriebe zu finden.

Sven Hahn, Geschäftsführer der City Initiative Stuttgart (CIS), interessiert sich vor allem für ein verbindliches Schlussdatum des Corona-Lockdowns. Damit konnten die Exit-Gespräche nicht dienen. „Wenn die Kontaktbeschränkungen zu früh gelockert werden und dann eine zweite Welle kommt, bedeutet das für viele Einzelhändler der Genickschuss“, sagt Hahn. Eine ganz einfache, einheitliche Regelung haben Bund und Länder nicht gefunden. So sollen etwa kleinere Läden bis 800 Quadratmeter den Betrieb unter Hygieneauflagen wieder aufnehmen dürfen, größere nicht. „Warum das Ansteckungsrisiko in einem Kaufhaus höher sein soll als in einem Schuhgeschäft, will mir nicht in den Kopf“, sagt Hahn.

Gastronomie macht sich kaum Hoffnungen

Stuttgarter Gastronomen machen sich nach dem Mittwoch wenig Hoffnung, bald wiedereröffnen zu können. Für sie wurden keine neuen Regelungen getroffen. „Wir gehen davon aus, dass wir als letztes und dann nur mit Auflagen eröffnen werden dürfen“, sagt Eric Bergmann von der Bar Jigger & Spoon im Hospitalviertel. Man arbeite allen Umständen zum Trotz im Hintergrund auf Hochtouren, den Laden auf den „Rebootday“ vorzubereiten. Das Gerücht, das Jigger & Spoon sei insolvent und habe die lange Durststrecke seit dem Shutdown des öffentlichen Lebens finanziell nicht durchgestanden, weist Bergmann zurück: „Das kann ich klar revidieren.“

Je länger das Coronavirus das öffentliche Leben zum Stillstand zwingt, desto wahrscheinlicher werden aber Insolvenzen für Gastro und Handel. Für sie bleibt zu hoffen, dass die nächsten in 14 Tagen geplanten Exit-Gespräche ergiebiger werden – und der Grünen-Stadtrat Marcel Roth vielleicht Recht behält, dass Stuttgart pfiffige Wege findet, der Krise zu trotzen.