Nach dem Tod des mächtigen Verlegers Hans Dichand ("Kronen"-Zeitung) könnte Österreich kultiviert Politik betreiben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)
Wien - In jenem Moment, da die Meldung vom Ableben Hans Dichands, Österreichs übermächtigem Zeitungsverleger, die Runde machte - Dichand war 89-jährig gestorben - befand sich der Kanzler der Republik, Werner Faymann, in Brüssel. Das war eine seltsame Koinzidenz, wenn nicht eine Pointe der besonderen Art, handelte es sich doch bei Dichand um den Chefdemagogen, der in seinem Hausblatt "Krone" zur niveaulosesten Vollform auflaufen konnte, sobald es um die seiner Meinung immer viel zu weitreichenden Kompetenzen der EU ging.

Faymann tat augenblicklich, als brenne das Parlament, vergaß seine guten Manieren und ließ sich vor die Tür expedieren, um seine Art von Nachruf zu sprechen, indem er Hans Dichand als einen Mann würdigte, der "Österreich geprägt" habe "wie kaum ein anderer". Faymann meinte das unironisch. Faymann von der SPÖ ist ein Kanzler von Dichands Gnaden gewesen wie selten einer zuvor.

Sogar die deutschen Großpublizisten Axel Cäsar Springer und Rudolf Augstein nehmen sich im Nachhinein neben Hans Dichand selig wie Zwerge aus. Weder konnte der eine Willy Brandts Ostpolitik verhindern noch der andere Helmut Kohls Regentschaft. Das ist bei Dichand völlig anders gewesen, und im Grunde genommen hat er sich nur einmal an einem Politiker die Zähne ausgebissen, ausgerechnet an Wolfgang Schüssel, den er als christsozialen Regierungschef von der Orientierung her hätte mögen müssen.

Zweifeln ist erlaubt


Da Schüssel aber nicht bereit war, seine Projekte mit Dichand abzustimmen, bevor er sie mit seinen Ministern besprach, reagierte Dichand mit anfänglichem Liebesentzug. Später schwenkte die "Krone" auf Schüssels Linie ein. Man war wieder gut miteinander. Neben allen posthumen und parteiübergreifenden Lobhudeleien auf Dichand, der sich nur die Grünen nicht angeschlossen haben, scheint aber nicht ganz in Vergessenheit geraten zu sein, dass der Verleger über Jahrzehnte hinweg nicht nur der "gute Papa" und Tierliebhaber war, sondern ein Klima der Hetze gefördert hat: vor allem Ausländer und Ölmultis waren Dichand, der sich stets als "Cato" zu Wort meldete, verhasst.

Die Frage ist jetzt, ob dieses Klima bestehen bleibt oder ob sich Österreich darauf besinnt, dass Politik zunächst einmal unabhängig von der Medienmeinung stattzufinden hat und kultiviert gestritten werden kann, wie es sich in einem Land gehörte, das so viele Dichter und Denker hervorgebracht hat. Zweifeln ist erlaubt.

Zwar hat sich die Familie in der "Kronen"-Zeitung (Auflage 1 Million Exemplare) für die Verhältnisse dieses Boulevardblattes fast schon diskret von Hans Dichand verabschiedet, künftiger Streit im Haus wird sich aber wohl nicht vermeiden lassen. An der "Krone" ist zur Hälfte der Essener WAZ-Konzern beteiligt. Dichand war Alleinherausgeber, keiner konnte ihm dreinreden. Nun hat aber hat die WAZ ein Vorkaufsrecht auf seine Anteile, und es geht in Wien das Gerücht, der Verlag wolle nur zu gern Anteile von den Familienmitgliedern erwerben. Womöglich ist auch das Haus Springer interessiert.

Durch all das herausgefordert fühlen könnte sich Dichands Tochter Eva, die sehr erfolgreich mit dem mitunter noch substanzloseren, aber ähnlich aggressiven Gratisblatt "Heute" reüssiert hat. Eine Zusammenlegung von "Krone" und "Heute" wäre ein naheliegender Gedanke. Das will die WAZ aber auf keinen Fall. Die nun anstehende Zeit der Diskussionen über die künftige Blattlinie hat vorerst ihr Gutes vor allem darin, dass sich Heinz-Christian Strache, Chef der rechtslastigen FPÖ, für die kommende Wiener Ratshauswahl keine großen Hoffnungen auf hundertprozentige Unterstützung der "Krone" machen darf.