Die Spieleinsätze sind höher als ausgeschüttete Gewinne und Kosten – so funktioniert das Glücksspielgeschäft. Bei einem neuen Angebot der landeseigenen Lotto-Gesellschaft gilt das jedoch nicht. Was tun?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Immer am Montag, wenn die Gewinner der Logeo-Lotterie ermittelt werden, steht ein Verlierer bereits fest: die landeseigene Toto-Lotto-Gesellschaft. 120 000 Euro werden Woche für Woche garantiert an die Mitspieler der „Geo-Lotterie“ ausgeschüttet. Doch die Spieleinsätze liegen seit Längerem deutlich darunter, zuletzt pendelten sie um 100 000 Euro. Anstatt Geld zu verdienen, zahlt die Lotto-Gesellschaft also drauf und muss das Angebot aus anderen Einnahmen querfinanzieren.

 

Als der neue Lotto-Chef Georg Wacker (56) Anfang des Jahres sein Amt antrat, erkannte er bei Logeo „sehr schnell Handlungsbedarf“. So wie bisher, befand der langjährige CDU-Landtagsabgeordnete und Staatssekretär im Kultusministerium, könne es „nicht weiterlaufen“. Das für den Veranstalter zunehmend verlustreiche Glücksspiel müsse entweder modifiziert – oder aber eingestellt werden.

Problem von der Vorgängerin geerbt

Wacker selbst kann das Problem emotionslos angehen: Er hat es nicht zu verantworten, sondern vorgefunden. Doch für seine Vorgängerin, die frühere SPD-Staatssekretärin Marion Caspers-Merk, war Logeo eine Herzenssache. Große Hoffnungen hatte die Genossin in die vor gut einem Jahr eingeführte Lotterie gesetzt, bei der es nicht auf getippte Zahlen, sondern auf die Adressen der Teilnehmer ankommt. Maßgeblich sind die geografischen Koordinaten, also Längen- und Breitengrad, der Spieleinsatz beträgt fünf Euro. Der Hauptgewinner (100 000 Euro) wird nach einem Zufallsverfahren elektronisch ermittelt. Die weiteren Gewinne richten sich nach der Nähe der anderen Spieler zu seiner Wohnung: je nach Entfernung erhalten sie 5000, 500, 50 oder fünf – zusammen 20 000 Euro. Die Kombination aus Lotto und Geo-Koordinaten – im Kunstnamen Logeo zusammengefasst – wird daher auch als „Nachbarschaftslotto“ bezeichnet.

Entwickelt wurde das Konzept in Skandinavien, wo es schnell Fans fand. Im Südwesten betrete man damit „Neuland“, sagte Caspers-Merk im Herbst 2016 nach dem Beschluss über die Einführung. „Wir greifen damit den Trend geobasierter Spiele auf, die immer beliebter werden.“ Auch der Nachbarschaftsgedanke werde dadurch gestärkt. Gemeinsam spielen, mitfiebern, gewinnen – das komme bei den Menschen sicher gut an, prophezeite die Lotto-Chefin. Flankiert wurde der Start mit einer Werbeoffensive, samt Internet-Filmchen des Kabarettisten Christoph Sonntag.

„Gesunder Mix aus Kontinuität und Neuem“

Zur Produktpolitik eines Unternehmens, erklärt die Lotto-Gesellschaft heute, gehöre „ein gesunder Mix aus Kontinuität und neuen Angeboten“. Mit Logeo habe man nicht nur auf Regionalität und Heimatbezug gesetzt, sondern auch ein jüngeres Publikum jenseits der Kernkundschaft ansprechen wollen. Andere Lotto-Gesellschaften – etwa in Rheinland-Pfalz – erwogen zwar ebenfalls, die Geo-Lotterie einzuführen. Doch sie ließen Baden-Württemberg letztlich den Vortritt: Man wolle erst einmal sehen, wie es dort laufe. Das Lehrgeld sollten lieber andere zahlen.

Nach den Erfahrungen im Südwesten dürfte es so bald keine Nachahmer geben. Es sei zwar gelungen, jüngere, online-affine Spieler zu gewinnen, bilanziert ein Lotto-Sprecher. Der Anteil der Internet-Einsätze liege mit etwa fünfzig Prozent deutlich höher als bei den klassischen Lotterien (zehn Prozent). Doch in den Annahmestellen, dem Rückgrat des Lotto-Vertriebs, war Logeo kein Renner. Als Hürde erwies sich die obligatorische Kundenkarte und der hohe Erklärungsbedarf. Da standen schon mal Stammtipper mit herkömmlichen Lottoscheinen Schlange, während vorne mit einem Neukunden die vielen Fragen rund um die Geo-Lotterie erörtert wurden. Die Einsätze blieben, so der Sprecher, „hinter den Erwartungen“ zurück.

Aufsichtsrat soll im April entscheiden

Angesichts wachsender roter Zahlen soll es nun bald Konsequenzen geben. Nach gründlicher Analyse habe man verschiedene „Verfahrensvorschläge erarbeitet, wie es mit Logeo weitergehen könnte“, sagt der Lotto-Chef Wacker. Zur Debatte steht ein modifiziertes Modell – aber dem Vernehmen nach auch eine Einstellung der Lotterie. Zur nächsten Sitzung Mitte April will Wacker dem Aufsichtsrat „einen konkreten Beschlussvorschlag unterbreiten“. Für seine fast zeitgleich fällige 100-Tage-Bilanz im neuen Amt könnte er dann vermelden: Problem erkannt, angegangen und gelöst.