Die beiden letzten verkaufsoffenen Tage in diesem Jahr können die Umsatzeinbußen nicht wettmachen, aber viele Geschäfte geben sprichwörtlich alles für ihre Kunden: Sie liefern bis 23. Dezember vor die Haustür und sind im Online-Handel aktiv.

Böblingen: Carola Stadtmüller (cas)

Böblingen/Sindelfingen - Den Tränen nah, aber auch wütend bis ins Mark sagt Thoralf Behrle: „Ich will doch kämpfen, aber ich sehe meine Existenz, mein Lebenswerk bedroht.“ Seit sechs Jahren führt er mit seiner Frau Doreen das „Ut’ – das ist es “ in Böblingen, wo es schöne Dinge für Haus und Herz gibt. Eigentlich brummt vor Weihnachten bei ihm das Geschäft; so auch jetzt. Aber in diesem Jahr macht er im Dezember 60 Prozent Verlust im Vergleich zum Vorjahr.

 

Dieser harten Bilanz zum Trotz hat er sich vieles einfallen lassen: Neben dem noch jungen im Frühjahr eröffneten Online-Shop stellt er Fotos seiner 8000 Artikel auf die Homepage – „quasi der Online-Shop für die Schnelle“. Wer etwas findet, das ihm gefällt, kann anrufen und bekommt die Ware noch am selben Tag geliefert. „Ich fahre bis zum 23. Dezember um 20 Uhr, das ist sicher“, sagt Behrle – kraftlos und voller Tatendrang in einem.

Thoralf Behrle steht für viele mittelständische Händler in der Region, die sich nicht unterkriegen lassen wollen, die alles versuchen, um nicht von staatlichen Hilfen abhängig zu werden.

Weitermachen bis 23. Dezember

„Bis zum Oktober sah unser Geschäft ganz gut aus. Wir haben Umsätze verloren, aber auch Geld verdient“, sagt Robert Klotz. Auf der Bademode blieb das Sportfachgeschäft in Sindelfingen eher sitzen, Outdoor-Ausrüstungen gingen dagegen gut. „Viele haben das Paradies vor der Haustür entdeckt und dafür Ausrüstung gekauft.“ Auch Intersport-Klotz ist noch besetzt, wenn heute keine Türen mehr aufgehen. „Wir sind am Telefon und beraten unsere Kunden. Wir machen das, was wir richtig gut können“, sagt Klotz – auch er und sein Team liefern Ware bis zum 23. Dezember vor die Haustür; falls Schnee und Bedarf da sind, sogar die Langlaufski. Beim Leonberger Herrenausstatter Wibbel wird weitergearbeitet. Marc Schmidt, der Juniorchef, packt Ware in Geschenkboxen. „Die werden bis zum 23. Dezember bis vor die Haustür geliefert“, sagt er. Und die Schneiderei arbeitet bis Weihnachten auf Hochtouren, um Änderungen fertigzumachen. Mit den Abholern wird eine Übergabe ausgemacht.

„Viele Händler waren seit dem Frühjahr kreativ“, das sagt auch Kira Morgan, die Böblinger Citymanagerin. Gemeinsam mit ihrem Team wurden Adventskalender erstellt, Händler bewarben ihre Lieblingsprodukte auf der Homepage mit besonderen Rabatten, kostenloses Parken lockte an den Adventssamstagen.

Sindelfingen setzt auf Stadtgutschein

Auch in Sindelfingen haben sich Stadt, Citymanagement und Wirtschaftsförderung ins Zeug gelegt – dort setzt man auf den Stadtgutschein. Der Gutschein gilt nicht nur für alle Händler der Stadt, auch Maichingen und Magstadt, sondern auch für die Gastronomie und für Handwerker. Die Stadt legt zu jedem Gutscheinwert 30 Prozent drauf. „Der wurde uns fast aus den Händen gerissen“, sagt der Wirtschaftsförderer Sascha Dorday. Da die Händler die große Sorge hätten, wie es nach dem 10. Januar weitergehe, überlege man, auch die eigentlich bis 31. Dezember begrenzte Aktion zu verlängern. „Aber was jetzt an Umsätzen weggebrochen ist, ist und bleibt für die Händler dramatisch“, sagt auch er.

Da halfen auch die letzten beiden stationären Tage nicht mehr viel, auch wenn die Innenstädte und Einkaufszentren voll waren, vor dem Ikea in Sindelfingen bildeten sich lange Schlangen, die teilweise bis auf die Autobahnzufahrt zur A 81 reichten.

Lange Schlangen vor Mercaden

„Bei uns gab es lange Schlagen schon am Haupteingang“, sagt Edip Özerol, der Centermanager der Mercaden in Böblingen. Deshalb wurden mehr Sicherheitskräfte ins Haus geholt. „Wir müssen einerseits dafür sorgen, dass immer nur eine bestimmte Menge Kunden im Haus sind, andererseits müssen Ansammlungen verhindert werden“, beschreibt er die Situation. Und das immer freundlich – „wir haben unsere Leute speziell geschult, alle Kunden mit Feingefühl anzusprechen, falls mal eine Maske nicht richtig sitzt.“

Auch im Leo-Center in Leonberg herrschte am Montag und Dienstag Hochbetrieb. Viele Artikel waren auch bereits reduziert, wie die Schokoladen-Nikoläuse und die Lebkuchen-Herzen, die dort traditionell die Laufwege im Erdgeschoss als Ladenfläche nutzen. Denn ein Nachweihnachtsgeschäft wird es in diesem Jahr nicht geben.