Region: Verena Mayer (ena)

Nach der jüngsten XY-Sendung meldet sich eine Frau aus Münster. Sie erinnerte sich, dass sie während eines Urlaubs in Südfrankreich einen jungen Mann kennengelernt hat, der Daniel hätte sein können. Seinen Namen hatte der Unbekannte damals nicht genannt. Aber er erzählte, dass er aus Süddeutschland stamme, dass er von zu Hause abgehauen sei, momentan auf einem Bauernhof jobbe und nach der Ernte auf den Jakobsweg wolle. Das war im Sommer 2007. Er habe gewirkt, als ob er sich durchbeißen würde, erzählte die Frau aus Münster und gab der verzweifelten Frau aus Ulm damit einen neuen Strohhalm, an den sie sich klammern konnte. Karola Eberhardt fuhr nach Südfrankreich, klebte selbst gebastelte Fahndungsposter an Wände und Masten, verteilte Flyer, forschte auf Bahnhöfen nach, bei Streetworkern und Junkies und graste Fast-Food-Restaurants und Kneipen ab.

 

Sie war auch in Augsburg, wo Daniel angeblich als Drücker gesehen wurde. Oder in Straßburg: möglicherweise, mutmaßt die Mutter, hat sich Daniel dort bei der französischen Fremdenlegion beworben. Er interessierte sich für eine militärische Laufbahn, und die Truppe hat den Ruf, jeden zu nehmen, ohne lästige Fragen zu stellen. Tatsächlich trifft Karola Eberhardt auf einen Legionär, der sich erinnert, mit Daniel ein Bewerbungsgespräch geführt zu haben. Aufgenommen habe man ihn aber nicht, versichert der Mann. Er sei zu jung gewesen. „Ich war ohne Angst“, sagt Karola Eberhardt über ihre Recherchen in fremden Welten, die ihren Sohn nicht zurückgebracht haben.

Die Stille in ihrer Wohnung gibt der 57-Jährigen Halt. Nur das Ticken des Sekundenzeigers der Küchenuhr ist zu hören. Mehr Geräusche würden die Sinne wecken. Früher hat die Verwaltungsangestellte gerne Musik gehört und mitgesungen. Wenn sich dieses Gefühl heute manchmal wieder anschleicht, verscheucht sie es. „Ich kann doch nicht fröhlich sein, wenn mein Kind fehlt.“ Im vergangenen April traut sich Karola Eberhardt mit einer Reisegruppe nach Rom. Sie sucht Ablenkung. Irgendwann kommt das Gespräch auf Romina Power. Die Sängerin, die mit ihrem Albano in der 80er Jahren „Felicità“ schmetterte – und die seit mehr als 17 Jahren ihre Tochter sucht. Ylenia verschwand 1994 in New Orleans. Diese arme Mutter, so viel Leid, sagen die Reisebegleiter. Karola Eberhardt sagt nichts. Sie sucht das Weite. Geweint hat sie schon lange nicht mehr. Ihre Tränen seien versiegt, ihr Herz fühle sich an wie ein Stein, der zerspringen möchte. „Warum kann er sich nicht melden?“

Hoffnung ist besser als Angst

So wie früher. Karola Eberhardt hat nach Daniels Verschwinden Anrufe bekommen, die ihr Hoffnung gaben. Es waren anonyme Anrufe. Für ihre Bekannten schien klar, dass sich jemand verwählt hatte. Für die Mutter war es mehr. Sie redete auf den stummen Unbekannten ein, teilweise eine Viertelstunde lang. Der Anrufer antworte nie, doch ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dies Lebenszeichen von Daniel waren. Das letzte dieser Art bekam sie 2007. „Es ist nicht gesichert, dass die Anrufe in Verbindung mit seinem Verschwinden stehen“, sagt die Polizei, die nach wie vor Hinweise auf Daniel annimmt.

Kurz nach seinem Verschwinden war Daniel schon einmal über diese Sendung gesucht worden. 15 Anrufer meldeten sich damals. Zwei von ihnen wollten den Jungen im Ausland gesehen haben, einer in einem Zug bei Buchloe, ein anderer in einer Drückerkolonne bei Augsburg. Die Ermittler in Ulm haben alle Hinweise geprüft, eine heiße Spur fanden sie nicht.

Sie glauben nicht mehr, dass der fast 1,80 Meter große, durchtrainierte Daniel das Opfer eines Verbrechers geworden ist. Sie haben mit Hunden und Hubschraubern Waldstücke durchforstet, in denen sich der Junge manchmal aufgehalten hat. Ohne Ergebnis. Außerdem gibt es eine gesicherte DNA von Daniel. Bisher wurde sie noch bei keinem unbekannten Toten entdeckt. Karola Eberhardt weiß, dass die Polizisten einen Selbstmord ihres Sohnes nicht ausschließen. In seinem Schließfach in der Schule haben die Beamten seinen Geldbeutel samt Papieren gefunden, seine Brille und sein Handy. Nichts, was einer zurücklässt, der von zu Hause ausreißen will. Doch die Mutter kann nicht glauben, dass ihr Daniel sich das Leben genommen hat. Am Ende seines letzten Schultages hatte er sich doch mit dem Techniklehrer über den kurz zuvor durchgenommenen Stoff unterhalten. „Jemand, der so aufgeschlossen ist, will doch nicht abschließen“, sagt Karola Eberhardt, die wie die Polizei weiß, dass ihr Sohn zunehmend verschlossen war, unter der Trennung seiner Eltern litt und wenig Freunde hatte.

Recherchen in fremden Welten

Nach der jüngsten XY-Sendung meldet sich eine Frau aus Münster. Sie erinnerte sich, dass sie während eines Urlaubs in Südfrankreich einen jungen Mann kennengelernt hat, der Daniel hätte sein können. Seinen Namen hatte der Unbekannte damals nicht genannt. Aber er erzählte, dass er aus Süddeutschland stamme, dass er von zu Hause abgehauen sei, momentan auf einem Bauernhof jobbe und nach der Ernte auf den Jakobsweg wolle. Das war im Sommer 2007. Er habe gewirkt, als ob er sich durchbeißen würde, erzählte die Frau aus Münster und gab der verzweifelten Frau aus Ulm damit einen neuen Strohhalm, an den sie sich klammern konnte. Karola Eberhardt fuhr nach Südfrankreich, klebte selbst gebastelte Fahndungsposter an Wände und Masten, verteilte Flyer, forschte auf Bahnhöfen nach, bei Streetworkern und Junkies und graste Fast-Food-Restaurants und Kneipen ab.

Sie war auch in Augsburg, wo Daniel angeblich als Drücker gesehen wurde. Oder in Straßburg: möglicherweise, mutmaßt die Mutter, hat sich Daniel dort bei der französischen Fremdenlegion beworben. Er interessierte sich für eine militärische Laufbahn, und die Truppe hat den Ruf, jeden zu nehmen, ohne lästige Fragen zu stellen. Tatsächlich trifft Karola Eberhardt auf einen Legionär, der sich erinnert, mit Daniel ein Bewerbungsgespräch geführt zu haben. Aufgenommen habe man ihn aber nicht, versichert der Mann. Er sei zu jung gewesen. „Ich war ohne Angst“, sagt Karola Eberhardt über ihre Recherchen in fremden Welten, die ihren Sohn nicht zurückgebracht haben.

Die Stille in ihrer Wohnung gibt der 57-Jährigen Halt. Nur das Ticken des Sekundenzeigers der Küchenuhr ist zu hören. Mehr Geräusche würden die Sinne wecken. Früher hat die Verwaltungsangestellte gerne Musik gehört und mitgesungen. Wenn sich dieses Gefühl heute manchmal wieder anschleicht, verscheucht sie es. „Ich kann doch nicht fröhlich sein, wenn mein Kind fehlt.“ Im vergangenen April traut sich Karola Eberhardt mit einer Reisegruppe nach Rom. Sie sucht Ablenkung. Irgendwann kommt das Gespräch auf Romina Power. Die Sängerin, die mit ihrem Albano in der 80er Jahren „Felicità“ schmetterte – und die seit mehr als 17 Jahren ihre Tochter sucht. Ylenia verschwand 1994 in New Orleans. Diese arme Mutter, so viel Leid, sagen die Reisebegleiter. Karola Eberhardt sagt nichts. Sie sucht das Weite. Geweint hat sie schon lange nicht mehr. Ihre Tränen seien versiegt, ihr Herz fühle sich an wie ein Stein, der zerspringen möchte. „Warum kann er sich nicht melden?“

Hoffnung ist besser als Angst

So wie früher. Karola Eberhardt hat nach Daniels Verschwinden Anrufe bekommen, die ihr Hoffnung gaben. Es waren anonyme Anrufe. Für ihre Bekannten schien klar, dass sich jemand verwählt hatte. Für die Mutter war es mehr. Sie redete auf den stummen Unbekannten ein, teilweise eine Viertelstunde lang. Der Anrufer antworte nie, doch ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass dies Lebenszeichen von Daniel waren. Das letzte dieser Art bekam sie 2007. „Es ist nicht gesichert, dass die Anrufe in Verbindung mit seinem Verschwinden stehen“, sagt die Polizei, die nach wie vor Hinweise auf Daniel annimmt.

Nach der Fernsehsendung im November meldeten sich auch zwei Anrufer aus Offenburg. Der eine meinte, Daniel vor Kurzem am dortigen Bahnhof zu gesehen haben, der andere in einem Baumarkt. Dort hat Karola Eberhardt ebenfalls Plakate aufgehängt und Flyer verteilt. Sie zeigen nun auch ein Foto, auf dem Daniel älter aussieht; er wäre jetzt 23. Das Haar ist länger, er trägt einen Bart. Ein Grafiker hat das Bild des 15-Jährigen nach der Vorstellung der Mutter bearbeitet. Karola Eberhardt würde akzeptieren, wenn ihr Sohn nichts mit ihr zu tun haben wollte, sie ihn in Ruhe lassen solle. Hauptsache, er lebt. Die Reise nach Offenburg hat keine neuen Hinweise gebracht, doch der Mutter wieder etwas mehr Hoffnung.

Und Hoffnung, sagt sie, sei besser als Angst.