Die kanadische Küstenwache hat die Suche nach Daniel Küblböck eingestellt. Es gebe keine Hoffnung mehr auf ein Überleben in den eisigen Gewässern vor Neufundland. Wie geht es in solchen Vermisstenfällen juristisch weiter? Wir sprachen mit einem Fachanwalt für Familien- und Erbrecht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Der Tod eines Menschen wird in der Regel durch eine Sterbeurkunde belegt. Das Ableben muss zweifelsfrei feststehen. Dies ist nicht ohne weiteres möglich, wenn jemand wie der Sänger Daniel Küblböck über Bord eines Kreuzfahrtschiffes geht und vermisst wird. Wir sprachen mit dem Stuttgarter Juristen Nikolas Hölscher, der Fachanwalt für Erb- und Familienrecht ist.

 

Herr Hölscher, wann wird eine vermisste Person nach einem mutmaßlich tödlichen Unfall oder Suizid für tot erklärt?

Eine vermisste Person wird durch ein gerichtliches Aufgebotsverfahren für tot erklärt – gemäß § 2 des Verschollenheitsgesetzes. Ein solches Verfahren wird nur auf Antrag eingeleitet. Dies setzt voraus, das bestimmte Fristen verstrichen sind, welche sehr unterschiedlich sein können. Wenn jemand auf See verschollen ist, müssen zum Beispiel sechs Monate verstrichen sein, in der Luft drei Monate.

Wer kann diesen Antrag stellen?

Antragsberechtigt sind die Staatsanwaltschaft, bestimmte Angehörige und jeder andere, der ein rechtliches Interesse an der Todeserklärung hat. Das kann beispielsweise der Ehegatte sein, der wieder heiraten möchte, aber auch potenzielle Erben oder auch Gläubiger der vermissten Person. Inhaltlich setzt die Todeserklärung voraus, dass der Vermisste verschollen ist.

Wie kann man nachweisen, dass jemand verschollen und nicht untergetaucht ist?

Dafür muss glaubhaft gemacht werden, dass über einen längeren Zeitraum keine Nachrichten darüber vorliegen, ob die vermisste Person noch lebt oder gestorben ist. Auf Grundlage der Todeserklärung können die potenziellen Erben dann einen Nachweis für den Tod und einen Erbnachweis erhalten – etwa in Form eines Erbscheins.

Ab wann haben die Hinterbliebenen Anspruch auf das Erbe, die Hinterlassenschaften oder die persönlichen Gegenstände, die etwa Daniel Küblböck bei seiner Kreuzfahrt zurückgelassen hat?

Potenzielle Erben haben bereits zum Todeszeitpunkt Anspruch auf sämtliche Nachlassgegenstände des Verstorbenen. Bevor allerdings der Tod nicht offiziell festgestellt ist, können sie ihr Recht auf das Erbe nicht durchsetzen. Denn das setzt ja voraus, dass tatsächlich nachgewiesen wird, dass die Person verschollen ist und damit der Erbfall eintritt.

Kann hier eine Vollmacht weiterhelfen?

Ja. Im Beispielsfall könnte die Kreuzfahrtgesellschaft die Gegenstände einem ausreichend Bevollmächtigten übergeben – zum Beispiel wenn es eine Generalvollmacht gab. Alternativ könnte sie die Wertgegenstände des Vermissten bei Gericht amtlich hinterlegen.

Für den Fall, dass der Vermisste eine Lebens- oder Unfallversicherung abgeschlossen hatte: Wann muss die Versicherung an wen wieviel zahlen?

An wen eine Versicherung wie viel bezahlen muss, richtet sich zunächst nach der Art der Versicherung und den Regelungen im Versicherungsvertrag. Ist kein Bezugsberechtigter im Vertrag festgelegt, fällt die Versicherungsleistung an die Erben. Bei einer Versicherung hat der Bezugsberechtigte den Nachweis des zu Todes führen.

Könnten Sie das an einem Beispiel erklären?

Bei einer Unfallversicherung müsste neben der Bezugsberechtigung und dem Todesnachweis zusätzlich ein Unfall vorliegen, was beispielsweise bei einem Suizid zu verneinen wäre. Auch Lebensversicherungsverträge sehen häufig eine Leistungspflicht des Versicherers erst vor, wenn ein Suizid drei Jahre nach Vertragsschluss erfolgt.

Angenommen, der „Totgeglaubte“ taucht plötzlich wieder auf? Was ist dann mit den Erben und ihrer Erbschaft?

Der Totgeglaubte hat weiterhin alle Rechte, die er zuvor hatte. Eine erfolgte Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz kann er aufheben lassen. Die vermeintlichen Erben sind tatsächlich keine mehr. Ein ihnen etwa zuvor erteilter Erbschein kann eingezogen oder vom Gericht für kraftlos erklärt werden.

Und was geschieht, wenn ein Teil der Erbschaft bereits „versilbert“ worden ist?

Die erfolgte „Versilberung“ von Nachlassgegenständen mittels Erbschein bleibt wirksam. Bei den vermeintlichen Erben etwa noch vorhandene Resterlöse sind dem wahren Berechtigten herauszugeben. Für darüber hinaus gehende Schäden haftet der vormalig gutgläubig handelnde vermeintliche Erbe nur eingeschränkt.

Zur Person

Nikolas Hölscher ist Jahrgang 1981. Er studierte Rechtswissenschaften in Tübingen, wo er auch promovierte.

Seit 2008 ist er als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Gaßmann & Seidel in Stuttgart tätig.

Er hat sich als Fachanwalt für Erbrecht, Fachanwalt für Familienrecht und Fachanwalt für Gesellschaftsrecht auf Fragen der Vermögensnachfolge spezialisiert. Zudem bildet er Rechtsanwälte in diesem Bereich fort.