Der Ministerpräsident wollte die Koordination der grünen Länder übernehmen. Daraus wird nichts. Finanzministerin Sitzmann ist nicht in Arbeitsgruppe vertreten.

Berlin - Bei den Verhandlungen um die Erbschaftsteuer steht für Baden-Württemberg viel auf dem Spiel: Im Südwesten sind große Familienunternehmen ansässig, für die eine Gesetzesänderung schnell zu Mehrbelastungen in zwei- oder dreistelliger Millionenhöhe führen könnte. Schon deshalb schaltete sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) früh ein. Er traf sich häufig mit Vertretern von Familienunternehmen und sicherte ihnen zu, eine maßvolle Besteuerung anzustreben. Bis zur Sommerpause lag der Ball im Spielfeld der großen Koalition in Berlin, die eineinhalb Jahre Zeit brauchte, um im Bundestag einen Gesetzentwurf zu verabschieden. Der Vorschlag des Bundestags fiel dann im Bundesrat durch, jetzt muss der Vermittlungsausschuss Lösungen suchen. Das sollte, so planten es die Strategen in der Stuttgarter Regierungszentrale, die Stunde von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) werden. Der Stuttgarter Regierungschef sollte die Rolle des Chefkoordinators für die Grünen bei der Erbschaftsteuer übernehmen. Doch daraus wird vorerst nichts.

 

Vor einigen Wochen hieß es noch, Kretschmann werde den grünen Teil der zehn Landesregierungen koordinieren, an denen die Umweltpartei beteiligt ist. Das hätte gut gepasst, denn Kretschmann ist unter den Grünen im Vermittlungsausschuss der einzige Regierungschef. Auf die Grünen kommt es an, denn ohne ihre Zustimmung erhält die große Koalition im Bundesrat keine Mehrheit. Doch Kretschmann bekommt keine Sonderrolle. Zu groß ist offenbar das Misstrauen bei anderen grünen Ländern, weil der Baden-Württemberger eine wirtschaftsfreundliche Lösung anstrebt.

Das Land ist an einer entscheidenden Stelle nicht vertreten

Bei der ersten Sitzung des Vermittlungsausschusses am Donnerstagabend ist Kretschmann nicht dabei. Er befindet sich im Urlaub und ließ sich von Innenminister Thomas Strobl (CDU) vertreten. Da es beim ersten Zusammenkommen vor allem um organisatorische Fragen geht, ist seine Teilnahme nicht zwingend. Die Finanzpolitiker aus Bund und Ländern haben sich im Vorfeld getroffen, um die Kompromisssuche vorzubereiten. Der Vermittlungsausschuss wird eine 16-köpfige Arbeitsgruppe einsetzen, die über Einzelheiten berät. Der Arbeitsgruppe gehören Finanzminister der Länder und Finanzpolitiker aus dem Bund an. Dort spielt die Musik.

Eine herbe Enttäuschung für das Land ist, dass die baden-württembergische Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) nicht zur Arbeitsgruppe gehört. Das Land ist an einer entscheidenden Stelle nicht vertreten. Auch die Koordination der grünen Verhandlungsposition liegt woanders: Bei der Erbschaftsteuer soll die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) die Länder-Grünen koordinieren. Für die Bundestags-Grünen hält die sachkundige Haushaltspolitikerin Anja Hajduk die Fäden in der Hand. Das Ländle kommt nicht vor.

Kretschmann will die Wirtschaft nicht überfordern

Das Stuttgarter Staatsministerium versichert zwar, Kretschmann sei eng in die Abstimmung eingebunden. Es sei sichergestellt, dass Positionen des Landes einflössen. Warum Baden-Württemberg aber nicht wenigstens auf Ebene der grünen Finanzminister eine herausgehobene Rolle spielt, bleibt unverständlich. Schließlich ist der Südwesten stärker von der Reform betroffen als das kleine Schleswig-Holstein. Bei Verhandlungen über Reformmodelle spielt auch eine Rolle, wie die Länderfinanzverwaltungen ausgestattet sind. Da dem Vermittlungsausschuss nur wenig Zeit zur Verfügung steht, müssen die Vorschläge von den Ministerien durchgerechnet und bewertet werden. Das Land hat eine leistungsfähige Steuerverwaltung .

Für die Personalentscheidungen bei den Grünen ist ein anderer Grund ausschlaggebend gewesen. Die Mehrheit der Grünen-Länder favorisiert zusammen mit den SPD-Ländern eine Verschärfung des Gesetzentwurfs. In Berlin wurde eine rot-grüne Liste mit zwölf massiven Änderungsvorschlägen bekannt, was auf eine Totalrevision hinausliefe. Kretschmann dagegen machte nie ein Hehl daraus, dass er am Gesetzentwurf der großen Koalition wenig ändern will. Er will die Wirtschaft nicht überfordern. Die Grünen in anderen Ländern sehen das anders. Die schleswig-holsteinische Ressortchefin hatte im Bundesrat gesagt, der Gesetzgeber müsse handeln, weil die Erbschaftsteuer ein Instrument sei, um die Ansammlung von Riesenvermögen zu verhindern. Kretschmann weist dagegen stets darauf hin, dass Betriebe bei der Erbschaftsteuer anders zu behandeln seien als Private. „Für den Betrieb ist die Erbschaftsteuer eine Substanzsteuer“, sagte er. Ob er Gehör findet, ist offen. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.erbschaftssteuer-laender-machen-front-gegen-erbschaftsteuer.079edb36-36ce-4498-bf79-aa082107bdfe.html