Erika Berger und Verona Pooth beantworteten in den 80er- und 90er-Jahren im TV alle Fragen zum Thema Sex. Wegen des Internets sind diese Formate beinahe ausgestorben – bis auf wenige Ausnahmen.

München - Im Fernsehen über vorzeitigen Samenerguss oder Fetische reden? In den 80er und 90er Jahren war das fast schon Mode im Abendprogramm von Privatsendern. Sex-Expertin Erika Berger beriet Zuschauer live im TV in Liebesdingen - ganz elegant auf einem Sofa. Legendär sind auch Verona Pooths - damals noch Feldbuschs - Auftritte im Erotikmagazin „Peep!“ - auch auf einem Sofa. Und der Sofa-König schlechthin: Bastian Pastewka alias Brisko Schneider mit seiner Begrüßungsformel „Hallo liebe Liebenden“ in der „Wochenshow“ auf Sat.1, der das Phänomen parodierte.

 

Schaut man sich heute in der deutschen Fernsehlandschaft um, spielen Sex-Experten kaum eine Rolle. „Im Fernsehen sind sie in letzter Zeit aus der Mode gekommen“, erklärt Medien-Experte und Kommunikationswissenschaftler an der FU Berlin, Joachim Trebbe. Ein Grund: das Internet und seine Porno-Fülle. Das mache klassische Aufklärungssendungen quasi überflüssig. Beim Nischensender RTL II zum Beispiel, der mit Feldbusch und „Peep!“ saftige Einschaltquoten einfuhr, gibt es „derzeit keine Pläne in dieser Hinsicht“, erklärt ein Sprecher.

Paula kommt

Als letzte Mohikanerin könnte man wohl Paula Lambert bezeichnen. Die Sex-Expertin auf dem ProSieben-Spartensender Sixx gibt bei ihrer Sendung „Paula kommt - Sex und gute Nacktgeschichten“ Tipps rund um Oralverkehr, exotische Stellungen und erotische Fantasien. Im November startet die dritte Staffel. „Die Informationen aus dem Internet sind immer sehr theoretisch“, sagt Lambert: „Das ist so, wie wenn man ein mysteriöses Hautjucken hat und das dann googelt - zum Schluss weiß man, dass man sterben wird.“

Was Sie schon immer über Sex wissen wollten

Was eine Sex-Expertin im TV vom Internet abhebt? „Ich glaube das Besondere ist, dass ich mit meiner Lebenserfahrung und Neugier die Leute spiegeln kann.“ Ein lebendiges Feedback sei immer besser. „Und darum ist es gut, dass ich da bin“, sagt die 43 Jahre alte Kolumnistin aus München.

Auch für Medien-Experte Trebbe ist die Nachfrage trotz Internets erkennbar: „An „Paula kommt“ sieht man, dass das Thema natürlich immer noch Zuschauer bringt und die Leute interessiert“, sagt er. Es gebe immer wieder solche kleineren Revivals, die auch in die konventionellen Medien schwappten. Doch die Pionierzeiten von Erika Berger seien natürlich vorbei.

Nicht nur Berger, die im vergangenen Jahr gestorben ist, sorgte mit ihren gekonnt übereinandergeschlagenen Beinen in ihrer RTL-Sendung „Eine Chance für die Liebe“ für Unterhaltung. Auch Travestiekünstler und Sex-Expertin Lilo Wanders erreichte mit der „Wa(h)re Liebe“ auf Vox Kultstatus. Die Sendung wurde 2004 nach zehn Jahren als letzte ihrer Art eingestellt und markiert damit das Ende einer Ära.

Auch im ZDF machen sie Liebe

Während die Privaten seither das Zuhause von Erotiksendungen sind, haben heute auch die öffentlich-rechtlichen das Thema für sich entdeckt. 2013 startet das Aufklärungsformat „Make Love“, dass Ende August auf ZDF in die fünfte Staffel ging. Die Sendung bekam 2014 den Grimme Online Preis und wurde 2017 für den Deutschen Fernsehpreis nominiert.

Am Mittwoch (20.15 Uhr) geht Lambert auf Sixx mit ihrer neuen, zweiteiligen Prime-Time-Doku „Mein erstes Mal“ an den Start. Der erste Sex, der erste Orgasmus, zum ersten Mal Sextoys: Über all das sprechen die Sex-Expertin und ihr Mann Matthias mit Menschen, die das alles noch vor sich haben, und geben Ratschläge. „Ich habe mal gelesen, eine Expertin ist die, die auf einem Gebiet jeden erdenklichen Fehler gemacht hat“, sagt Lambert. „Natürlich lernt man durch Fehler am besten. Ich kann mit Stolz von mir behaupten, dass ich wirklich sehr, sehr viele Fehler gemacht habe.“ Eine der letzten Sex-Expertinnen im TV zu sein, sei ein schönes Alleinstellungsmerkmal.