Der Online-Händler Zalando ist ein so junges wie erfolgreiches Unternehmen. Doch hinter der lässigen Fassade der Mitarbeiter steckt ein knallhartes Marketing-Kalkül mit einer ausgeklügelten „Empfehlungsmatrix“.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Berlin - Wer an der Berliner Mollstraße nach Zalando sucht, kann sich leicht verirren. Weder ein Firmenschild noch Leuchtbuchstaben markieren die Firmenzentrale in einem Büroblock, zehn Gehminuten vom Berliner Alexanderplatz entfernt. Nichts weist darauf hin, dass am einstigen Sitz der DDR-Nachrichtenagentur ADN hier vor Kurzem der Schuh- und Modehändler eingezogen ist. Um das Zalando-Logo mit dem orangefarbenen, abgerundeten Dreieck zu entdecken, muss man am Eingang erst um die Ecke schauen. Im Foyer sitzen die Besucher auf Boxen aus Sperrholz. Statt Ledersesseln gibt es blaue Matratzen, die zum Herumlümmeln einladen. Und statt manikürter Empfangsdamen grüßen den Besucher am Empfang zwei junge Leute mit T-Shirts und lässiger Wollmütze. Die unpolierte Fassade ist Kalkül. Der vor sechs Jahren gegründete Schuh- und Modeversender will immer noch als Teil der Berliner Start-up-Kultur gelten – trotz Milliardenumsatz. Die Belegschaft ist im Schnitt 29 Jahre jung, und damit ist Zalando eines der jüngsten Unternehmen seiner Größe in Deutschland.

 

Drinnen heißen die Räume Farmville, Zelda, Snake oder Tetris. Das sind keine Modelabels, sondern Computerspiele. Wer sich hier – zumeist jung, männlich und im lockeren T-Shirt – über die Computer beugt, dem könnte die Boutiquenwelt der typischen 25- bis 35-jährigen weiblichen Kunden kaum fremder sein. Hinter der lockeren Fassade steckt kühle Technologie: Online-Käufer wollen nicht lange suchen. Das „Einkaufserlebnis“ besteht für sie aus schnellen Klicks. Vom „Inspiration“ genannten Link auf der Homepage bis zur Seite mit den Modeschubladen „Berlin Style“, „Barcelona Beach“ oder „London Cool“ ist alles verbissen kalkuliert. 400 von 1000 Mitarbeitern in Berlin sind IT-Spezialisten. In einem Labor werden Testkäufer bis zur kleinsten Regung vermessen. An den PCs montierte Augentracker verfolgen, wie der Blick über die Internetseite huscht. Sehen die Nutzer überfordert aus? Wirken sie enthusiastisch oder gelangweilt? Zalando testet selbst. Das ist auch in der datenbesessenen Online-Branche ungewöhnlich.

Bis der Kunde auf „Kaufen“ klickt

Filip Dames ist erfreut, dass sich jemand für das Rückgrat von Zalandos-Verkaufsapparat interessiert. „Chief Experience Officer“ nennt er sich, der „Chefverantwortliche für das Kundenerlebnis“ . Er spricht von „shopping experience“, „usability oder „gamification“. Ob das zu viel Englisch sei, fragt er. Der Kunde soll die Zalando-Seite nicht verlassen, bis er den Klick bei „Kaufen“ setzt. „Wenn ich im Bus mein Smartphone benutze, dann will ich vielleicht recherchieren oder mir einfach die Zeit vertreiben. Dementsprechend muss auch die Erfahrung auf der Seite spielerische Elemente haben“, sagt Dames. Am Ende müsse dann das Produkt zu Hause am PC im Warenkorb liegen. „Wir haben eine eigene Empfehlungsmatrix entwickelt, in der alle unsere Produkte miteinander verknüpft sind. Wir berechnen dann, welche Ähnlichkeiten sie aufweisen, zum Beispiel, wie oft zwei Produkte zusammen angeklickt oder gekauft werden“, sagt Dames. Aus den Daten berechne man Produktempfehlungen. Es klingt nicht nach Mode, sondern nach Physik.