Wegen der neuen Datenschutzregeln, die seit einem Monat in Kraft sind, herrscht Stress bei den Aufsichtsbehörden. Bürger melden sich zuhauf. Es herrscht große Verunsicherung.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Seit einem Monat gelten strengere Regeln zum Datenschutz. Bei den zuständigen Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern gehen seitdem massenhaft Anfragen und Beschwerden ein. In Baden-Württemberg hat sich die Zahl der Eingaben von Bürgern verdreifacht. Betroffene müssen nun fast doppelt so lang wie zuvor auf eine Antwort warten. In den vergangenen vier Wochen haben Unternehmen mehr als 80 Datenpannen und Fälle von Datenmissbrauch gemeldet, wozu sie jetzt verpflichtet sind. Das sind so viele Fälle wie früher in einem ganzen Jahr.

 

Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Stefan Brink nennt den Anstieg beim Arbeitsanfall in seiner Behörde „wirklich massiv“. Seit die neue Datenschutz-Grundverordnung in Kraft ist, haben sich 211 Bürger wegen mutmaßlicher Verstöße beschwert. In den Jahren zuvor waren 60 bis 70 Eingaben monatlich normal. Anlass für Beschwerden sind vor allem unerwünschte Reklame per Post, die Weitergabe oder Veröfentlichung von persönlichen Daten ohne ausdrückliches Einverständnis. „Wir werden alle diese Beschwerden abarbeiten, das ist sicher“, betont Brink, „aber es dauert länger als früher.“ Die Bearbeitungsdauer lag bisher bei vier bis sechs Wochen. Brink sagt: „Im Moment sind wir vier Wochen hinterher; ich hoffe aber, dass wir das über die Sommermonate wieder aufholen können.“

20 neue Stellen – schwierig zu besetzen

Eine Urlaubssperre sein dennoch nicht vorgesehen. Das Pesronal der Behörde waurde um 20 zusätzliche Stellen aufgestockt. Allerdings ist es schwierig, qualifiziertes Personal zu den Bedingungen des öffentlichen Dienstes zu bekommen.

In Bayern hat die Datenschutzbehörde ihren telefonischen Auskunftsdienst wegen massenhafter Anfragen bereits erheblich eingeschränkt. Auch aus Hessen wird berichtet, dass die Zahl der Anfragen „extrem hoch“ sei. Bei kleineren Unternehmen und Vereinen herrsche wegen der neuen Datenschutzvorschriften große Unsicherheit. Bei der Aufsichtsbehörde in Nordrhein-Westfalen gingen nach einem Bericht von spiegel online seit Ende Mai 4700 schriftliche Beschwerden ein – mehr als im vergangen Jahr insgesamt. In Berlin wurden an einem einzigen Tag so viele Beschwerden wie vorher in zwei Wochen verzeichnet. Die Datenschutzbeauftragte des Bundes, Andrea Voßhoff, bewertete das erhöhte Meldungsauskommen gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „administrative Herausforderung“.

Unternehmen, die gegen die neuen Datenschutzregeln verstoßen, müssen in Baden-Württemberg demnächst auch mit Bußgeldbescheiden rechnen. Darum kümmern sich zwei Juristen, die extra deswegen eingestellt wurden. Im Moment sind sie noch damit beschäftigt, Altfälle aufzuarbeiten, so Datenschützer Brink. Nach dem neuen Recht kann das Bußgeld bis zu 20 Millionen Euro betragen. Bisher sei aber noch kein Bescheid ergangen.