Nicht zum ersten Mal kursiert der sogenannte Löffeltrick im Internet. Auf Tik Tok wird darüber aufgeklärt, wie ein Löffel unter der Kleidung dabei helfen kann Mädchen und junge Frauen vor Verschleppung und Zwangsheirat zu retten. Was es damit auf sich hat.

Nicht immer ist ein anstehender Besuch in der ehemaligen Heimat oder dem Herkunftsland der Eltern ein Grund zur Freude. Denn insbesondere Mädchen und junge Frauen haben manchmal bereits vor der Reise ein mulmiges Gefühl, dass diesmal etwas anders ist. Dass etwas nicht stimmt. Eine Vermutung, dass sie vielleicht nicht wieder nach Hause zurückkommen.

 

Wenn die Reise mit dem Flugzeug geplant ist, gibt es eine Möglichkeit, in letzter Sekunde noch auf sich aufmerksam zu machen. Es handelt sich dabei um den sogenannten Löffeltrick, der jüngst wieder in den sozialen Medien viral ging.

So funktioniert’s

Ein Löffel oder ein anderer metallener Gegenstand wird, sofern die Reise mit dem Flugzeug angetreten werden soll, unter der Kleidung versteckt. Beim Sicherheitscheck am Flughafen schlägt der Metalldetektor an und verschafft so bestenfalls die Möglichkeit, mit einem Sicherheitsbeamten zu sprechen.

Beamte wissen Bescheid

In Stuttgart ist der Löffeltrick sowie das „Signal for Help Handzeichen“ den Beamten bekannt, wie die Bundespolizeiinspektion auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt. Angewandt wurde er am Stuttgarter Flughafen in jüngster Vergangenheit jedoch nicht, bei der Polizei Stuttgart wurden in den vergangenen Jahren nur einige wenige Fälle gemeldet.

72 Fälle im vergangenen Jahr

Etwas anders sieht das bei der Fachberatungsstelle Yasemin zur Unterstützung bei Gewalt im Namen der „Ehre“ aus. Im vergangenen Jahr wurden hier insgesamt 72 Fälle von versuchter Zwangsheirat dokumentiert. „Und das sind sicherlich nicht alle“, sagt eine Mitarbeiterin der Stuttgarter Beratungsstelle, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. „Die Dunkelziffer ist sicher höher.“

Nicht zu lange warten

„Erfahrungsgemäß holen sich die meisten Betroffenen auch erst dann Hilfe, wenn es bereits fast zu spät ist“, so die Beraterin. „Bei diesem Thema ist es daher sinnvoll, vor allem präventiv zu agieren“, sagt sie. Die Beratungsstelle bietet deshalb Informationsgespräche mit Lehrern, Sozialarbeitern und Ausbildern sowie Aufklärungsveranstaltungen an Schulen, in den sozialen Netzwerken und in Form eines Podcasts zu Gewalt im Namen der „Ehre“ an.

Eine Zwangsheirat ist letztlich „die Spitze des Eisbergs“, meint die Fachberaterin. Betroffene erfahren bereits vorher häufig verschiedene andere Arten von Gewalt: psychische, physische, sexuelle. Die Persönlichkeitsentwicklung wird eingeschränkt. „Mädchen werden häufig jahrelang beleidigt, bedroht und kontrolliert, es gibt viele Verbote. Alles mit dem Ziel, die Jungfräulichkeit bis zur Ehe zu wahren. Ein Auszug ist oft nur mit Heirat möglich, bei der Partnerauswahl gibt es Einschränkungen“, berichtet die Mitarbeiterin.

Auch junge Männer betroffen

Junge Männer können von diesen Dynamiken ebenfalls betroffen sein, weiß sie. „Daher sind auch sie bei uns willkommen.“ Anteilig kämen allerdings die wenigsten Anfragen bei der Beratungsstelle vom männlichen Geschlecht. Das könne unter anderem daran liegen, dass sich deren Leben, selbst im Falle einer Zwangsheirat, nicht so dramatisch verändere wie das der Frauen. „Häufig ist vorgesehen, dass sie Hausfrauen und Mütter werden. Viele werden daher gar nicht erst zur Selbstständigkeit erzogen und brauchen hier Unterstützung sowie realistische Perspektiven, wie eine selbstbestimmte Zukunft für sie aussehen könnte.“

Besteht Lebensgefahr?

Diese Überlegungen sind Teil der Beratungsgespräche, aber auch andere Themen müssen bedacht werden. Gibt es die Möglichkeit, die Hochzeit abzusagen? Gibt es ein Familienmitglied, das ein Umdenken innerhalb der Familie bewirken könnte? Muss der Kontakt zur Familie komplett abgebrochen werden – vielleicht zum gesamten sozialen Umfeld? Besteht Lebensgefahr? Je nach individueller Lage wird entschieden, wie es weitergehen soll.

Wichtig ist: „Wer vermutet, dass eine Zwangsheirat im Ausland geplant ist, sollte Deutschland auf keinen Fall verlassen“, warnt die Beraterin. „Wenn jemand sich bereits im Ausland befindet, ist es für uns fast unmöglich, sie wieder zurückzuholen.“